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Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

@start78
wenn ich nicht selbst oft in Tauschbörsen unterwegs bin, würde ich keine Aussage darüber wagen, ob vergriffene Alben über Tauschbörsen nur schwer oder leicht zu finden sind.

Wie häufig sollte man dort gewesen sein, um das Urteil „oft“ sicher abgeben zu können?

Wenn das ganze nicht aus eigener Erfahrung/Anschauung, sondern logisch/mathematisch abgeleitet wird, ergibt sich ein anderes Problem:

Werke von „armen beraubten???“ Künstlern, die so gut wie nichts verkaufen dürften sich dann oft gar nicht in Tauschbörsen befinden und die meisten Treffer gäbe es tatsächlich dort, wo Kunden Ihre Künstler schon zu mehrfachen Millionären gemacht haben. Also nochmals 1, 9 Millionen von Jammie Thomas-Rasset für Gloria Estefan, Green Day, Sheryl Crow und Richard Mark, damit die sicher durch den kalten Winter kommen.

Nein da stimmt etwas nicht!

Selbst der bestohlene Richard Mark kritisiert die RIAA scharf. Er findet es beschämend, wie sein Name mit diesem Prozess in Verbindung gebracht wird. Er hat immer Einwände gegen die Praxis von illegalen Downloads gehabt, aber auch Sympathien gegenüber durchschnittlichen Musikfans, die durch habgierige Aktionen großer Labels finanziell missbraucht wurden. Statt die Musikindustrie zu pflegen und alles für die Musikfans zu tun, haben sie sich hauptsächlich darauf verschrieben, den Konsumenten aufzureiben und ihre eigenen Taschen zu füllen.

Ich meine, wenn die Musikindustrie weiter behauptet, nur mit den Top10 der Charts Geld zu verdienen, sollten alle Künstler, die nicht dort landen im Interesse dieser Industrie eigene Wege z.B. in Form einer Kulturflatrate oder einer Flatrate-Gemeinschaft unabhängiger Künstler zu gehen. Die hätten dann nicht mehr das alte Freund-Feind-Bild, sondern Milliarden zahlende Kunden und einen Umsatz, der einen vielfaches der heutigen Musikindustrie ausmachen würde. Wahrscheinlich würden sogar die letzten Top 10 noch folgen und das Kapitel der Großen wäre Geschichte.

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Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

An welcher Stelle habe ich behauptet, daß ich miemals in einer Tauschbörse unterwegs war? Als Mensch mit Hang zur PC- und Internetsucht habe ich schon einiges ausprobiert, natürlich auch diverse P2P-Programme. Vor ein paar Jahren konnte man den Mainstream von den "musikalischen Randgruppen" anhand der Trefferquote eindeutig unterscheiden. Das verleitet mich zu der Annahme, daß auch heute noch die Chart-Breaker deutlich leichter zu ziehen sind als Raritäten.

Du hast also recht: Ich stelle eine Behauptung auf, die ich nicht konkret belegen kann. Es wird sich aber bestimmt jemand finden, der diese Behauptung anhand einiger Stichproben stützen bzw. widerlegen kann.

In den letzten Tagen gab es mehrere P2P-Diskussionen auf heise.de, mir hängt das Ganze also entsprechend zum Hals raus. Es gibt doch Möglichkeiten, legal an kostenlose Musik zu kommen (vom Radio aufnehmen zum Beispiel). Warum muss es über Tauschbörsen gemacht werden? Am liebsten würde ich den ganzen weltfremden, geizkrägigen, werteverneinenden P2P-Piraten ihre Musik tief in den Allerwertesten schieben (mitsamt der Festplatte auf der sie gespeichert sind). Wer diese Quellen nutzt sollte lieber die Klappe halten, anstatt sich als Retter der Welt aufzuspielen...

Sorry, aber das hatte ich gerade nötig!

Ich finde es verständlich, daß sich ein Richard Mark für den Ausgang dieses Prozesses schämt. 1,9 Millionen klingen verdammt unverhältnismäßig (mir fehlen das Insiderwissen und ein Jura-Studium, um das objektiv beurteilen zu können). Auf der anderen Seite hat er selbst etwas gegen illegale Downloads. Teufel links <-> Engel rechts...

Zum Thema alternative Vertriebswege:
Seit wann bestimmt der Konsument, auf welchem Betriebsweg ein Produkt vermarktet werden soll? Wenn ich weiß oder der Meinung bin, daß für ein Produkt Menschen ausgebeutet werden, muss ich es allein mit meinem Gewissen vereinbaren, ob ich es kaufen bzw. überhaupt haben will. Aber es hilft niemanden (ausser meinem Kontostand), wenn ich es mir illegal kostenlos besorge. Dem einen gefällt das Angebot von EMusic - mir gefallen CDs, die bei Media Markt und Amazon angeboten werden. Bin ich ein schlechter Mensch, weil bei dem von mir bevorzugten Vertriebsmodell der Urheber eventuell weniger an einem einzelnen Verkauf verdient als bei der Alternative? Sind EMusic Käufer auch so konsequent und holen ihren Kaffee im Eine-Welt-Laden und nicht bei Tchibo?

Wenn ich im Zug sitze und zusehe, wie dem ertappten Schwarzfahrer neben mir ein schmerzlich hoher Geldbetrag abgenommen wird, stelle ich mich sicher nicht gegen den habgierigen Kontrolleur oder den noch habgierigeren Rüdiger Grube (der ein vielfaches des Lockführers verdient und mich noch nie persönlich von A nach B gebracht hat). Ich ergötze mich auch nicht daran, daß der Schwarzfahrer erwischt wurde. Aber wenn der arme Tropf anfängt rumzupöbeln und Kontrolleur, Bahn und Bullenstaat beschimpft, kommt mir schon ordentlich die Galle hoch!

Schwarzfahren ist übrigens mein aktueller Lieblings-Vergleich: Schadet Schwarzfahren der Bahn? Der Bahn entsteht kein Verlust, wenn ich schwarzfahre. Der Zug wäre ja auch ohne mich gefahren!

Ich bin geneigt, der Musikindustrie zu glauben, wenn sie zurückgehende Verkaufszahlen mit illegalen Downloads begründen. Schließlich kenne ich genügend Prahlereien von zig-Gigabyte-großen Musiksammlungen...

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

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Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

@start78,
der Kreis schließt sich. Wir beide waren schon in Tauschbörsen unterwegs, aber das ist einige Jahre  her. Das was wir gefunden haben, war Musik aus den Charts der 50er bis 90er Jahre, die schon als Single, LP oder eben auch aufgewärmt als CD erneut verkauft wurde und sicher auch schon auf diversen gekauften Tonträgern bis hin zu selbst gemachten Kassetten oder Bändern bei uns lagerten. Wir haben damals per Radioaufzeichnung gestohlen und die Musikindustrie hat uns bekämpft, aber der Gesetzgeber war auf unser Seite. Wir haben aus PHP2 gezogen und die Musikindustrie hat unser Tun und Handeln verpennt, da gerade alles doppelt und dreifach auf CD's gepresst wurde und die Mehrheit noch fleißig CD's kaufte, denn PC's waren noch nicht so verbreitet. Der Rückgang hängt also nicht nur an PHP, sondern auch daran, wie hoch die Bereitschaft und finanzielle Kaufkraft ist, nach LP, CD auch noch DRM-verseuchten Download, später Schmalspur-MP3 und noch später Flac-Download für für viele Euronen zu erwerben. Das ist wohl auch schon etwas, was viele Künstler stört und noch mehr mögliche Konsumenten haben sich aus dieser Kostenfalle mit dem Internet befreit. Dort wird jede Musikdatei wie ein Kulturgut gesehen, die einen Künstler zwar leben lässt, aber eben nicht wie Michael Jackson im Luxus sterben lässt.

Zwischenzeitlich wurden die Fresskörbe für Musikhungrige 2 Stufen höher gehängt und wer sich dennoch bedient, weil er vielleicht noch nicht die Technik, nicht die richtigen Programme, nicht das Wissen und nicht Euronen oder Dollar besitzt, um sich die gewünschte Musik legal zu beschaffen oder zu kaufen, trifft auf Gesetze, die uns noch nicht treffen konnten. Teilweise ahnen die meisten noch nicht mal, das mit einem Download auch ein besonders verfolgter und finanziell unverschämt hoch bestrafter Upload stattfindet.

Wenn die Musikindustrie so weiter macht, erreicht sie nie die breit angelegte und auch von Dir gewünschte Konsumentenreife. Nach meiner Meinung vernichtet die Musikindustrie Kulturgut aus Unwissenheit über Preiselastizitäten, aus kurzfristiger Gier und weltfremden Vorstellungen wie man den zahlenden Kunden erreicht. Deshalb denken eben viele wie Du nur noch emotional aufgeladen, das die sich Ihre nicht verkauften CD's tief in den Allerwertesten schieben sollen. Ich sehe das differenzierter, würde mir aber wünschen, das die vernünftigen Stimmen und Denker auch in dieser Industrie das Musikmanagement in die Hände bekommt. Die alte Garde hat versagt und sollte sich nach mehreren Jahren schlechten Managements aufs Altenteil verlegen. Mit mehr Verständnis und kundenfreundlichen Handeln erzieht man besser als mit der juristischen Keule. Konsumentenreife braucht positive Emotionen und Einsichten, nicht Gegnerschaft und juristische Scharmützel.

Wir konnten unsere Konsumentenreife einfach schneller erreichen, was sicher auch mit dem Bildungsstand zu tun hatte. Raritäten von armen Künstlern haben wir damals nicht bekommen oder wollten wir auch nicht, da wir solche Künstler lieber direkt mit Konzerten und Verkäufen vor Ort stützen wollten. Ich nehme wie Du an, dass es heute noch so ist.

Nein heute muss nichts mehr über Tauschbörsen gemacht werden, aber wissen das schon alle? Sind alle P2P-Piraten, die vor einigen Jahren gezogen haben heute fein raus und nur die Deppen von heute in der neuen Härte der verschärften Gesetze? Edle Raubritter kommen sicher in der vollen Rüstung an und kennen alle legalen aber dennoch bezahlbaren oder sogar kostenfreien Wege.

Ungeschützte und schlecht ausgebildete PHP-Reiter mögen sich zwar gelegentlich auch wie Retter der Welt fühlen oder die große Klappe haben, aber die zur Verantwortung zu ziehen ist fast wie 1,9 Mio. Dollar für Mundraub. Aber die juristischen Besserwisser und materiell bzw. intellektuell besser gestellten Musik- und Kulturverwalter können das schon objektiv nach der jeweils von ihnen gestalteten Gesetzeslage beurteilen ;-)



Der Konsument bestimmt schon seit Einführung der Marktwirtschaft, welches Produkt wo und wann auf welchem Wege zu welchem Preis in seinen Einkaufskorb gelangt. Geschenkt nehmen große Menschenmassen fast alles sofort und fast unbezahlbar einige Millionäre vielleicht gelegentlich mal ein Unikat. Ich hoffe Musik wird in noch viel höherer Stückzahl Kulturgut und nicht unverkäufliches Unikat.  Sozialkaufhäuser oder die Tafel sind sicher nicht für Dich und mich, aber eben doch für Jammie Thomas-Rasset gemacht. Gloria Estefan, Green Day, Sheryl Crow und Richard Mark haben sicher nichts dagegen, wenn Milliarden Menschen, die dafür nichts bezahlen können, diese Musik kostenfrei tafeln könnten, solange Sie sich selbst Ihren Kaffee noch bei  Tchibo kaufen können und der Mercedes auch noch drin ist, weil wir gegen Entgelt konsumieren. Wer es sich leisten kann, sollte auch großzügig und barmherzig sein.

Vielleicht sollte Jammie Thomas-Rasset wie ein Schwarzfahrer mit 50 € pro Schwarzfahrt bestraft werden. Dann passt auch dieser Vergleich wieder besser und wer laut wird darf gern 2 x zahlen.

Die tatsächliche Schadenshöhe ist auch bei der Bahn nicht klar zu fixieren, aber ich habe dort noch nie von aberwitzigen Millionenstrafvorstellungen gehört.

Auch ich bin geneigt, der Musikindustrie zu glauben, das es einen Zusammenhang zwischen  Verkaufszahlen mit illegalen Downloads gibt. Ich würde mir nur alle Gutachten und wissenschaftlichen Untersuchungen ansehen und nicht nur die wahnwitzigen Negativberechnungen der von der Musikindustrie bezahlten Gutachter.

Die Positiveffekte aus anderen Gutachten sind genauso zu würdigen und der Zusammenhang von Preis und Menge zu beachten. 100 Gigabyte Musik wird nicht für 1 Euro das Stück eingekauft. Bei Preisen von 1 Euro erreicht man nicht einmal jeden 10ten möglichen Käufer und wenn einer dazu kauft, dann kaum über 3 – 4 CD's im Jahr (sagt die Musikindustrie selbst). Brachland wo man hinschaut. Sicher kann man für große Mengen Flatpreise von Napster oder Rhapsody aber nicht mehr heranziehen.

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Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Die im Zusammenhang mit der eigentlichen Themenstellung stattfindende Reduktion auf die Problematik der P2P-Netzwerke stört mich inzwn. zunehmend, da das Filesharing ja auch auf völlig anderen Ebenen stattfinden kann. Voraussetzung ist da für mich vor allem, dass der jeweils "Anbietende" über ein käuflich erworbenes Original verfügt, welches er digital vervielfältigt hat.

Den Urheber, wie auch den Rechteverwerter, mag es stören, dass diese Kopie, bei entsprechendem Hintergrundwissen, auf recht hochwertige Art und Weise erstellt worden ist, dennoch handelt es sich, unter der von mir angesprochenen Voraussetzung, schlicht und ergreifend erst einmal "nur" um selbige.

Um zum ursprünglichen Ausgangspunkt zurückzukehren: Das Ende der "Kopierschützerei" im Audiobereich führe ich weiterhin auf die Bemühungen entsprechend Engagierter oder "des Marktes" zurück, denn stichhaltige Gegenargumente wurden m.E. bisher nicht erbracht.

Gruss

A Bill of Rights in Cyberspace

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Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

@start78: Ich lüge mir nicht in meine eigene Tasche. Ich hab den Eindruck, daß du dich ziemlich verblendet auf einem Anti-Raubkopie-Trip befindest. Kann mich aber auch täuschen.

Ich hab nicht behauptet, daß es richtig ist, sich Musik »illegal runterzuladen«. Aber es ist in meinen Augen deutlich weniger falsch als das, was »die MI« macht. Ich verteidige keine der beiden Seiten. Im Grunde ist es mir völlig egal. Mit ihrem Lobbyismus überschreitet die MI aber eine viel wichtigere Grenze, als Leute, die sich Musik aus dem Netz ziehen.

Zum Thema: Mir ist nicht mehr ganz klar, was mit Konsumentenreife gemeint war/ist, dafür ist der Thread zu alt. Aber meiner Meinung nach sollte man Musik einfach so kopieren können und dürfen. Unabhängig davon, ob man dafür bezahlt hat. Konsumenten zu erziehen kann nicht der Zweck des Kopierschutzes sein.

Ach was, mir hängt das Thema auch zum Hals raus. Ich glaub, ich hab schon alles gesagt, was ich dazu zu sagen hab. Abwarten und schauen, ob die MI verreckt oder nicht.