1

Thema: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Einführung

Ausgangspunkt für diese Thema-Eröffnung ist ein von start78 im Thread Dynamic Range taggen? geäusserter Satz, dem ich nicht im vollen Umfang zustimme.

Zum Zusammenhang: In dem angesprochenen Thread hatte ich die indirekte Frage gestellt, ob Verbraucher bei der dort angesprochenen Initiative gegen den Loudness War überhaupt eine wichtigere Rolle spielen könnten.

DAU,07.06.2009, 20:46 schrieb:

Allerdings erschließt sich auch mir nicht ganz, wie entsprechend interessierte Verbraucher zu einer Lösung des Problems beitragen können, wenn es doch an einer ihnen völlig unzugänglichen Stelle verursacht wird, denn bisher ist mir kein Mastering-Studio bekannt, welches auf deren Meinung in irgendeiner Form Wert gelegt hätte.

Darauf antwortete mir Meiner Einer:

Meiner Einer, 07.06.2009, 23:23 schrieb:

Ich denke, es bestehen durchaus Aussichten. Erinnern wir uns an das Thema "Un-CDs" oder DRM - beides hat sich beim Verbraucher nicht wirklich durchsetzen können. Ich habe jedenfalls (von alten Beständen mal abgesehen) schon lange keine Kopiergeschützte CD mehr in den Läden gefunden. Es hat sich also ganz einfach über den Markt geregelt. Ich habe auch nie solche CDs gekauft - also strikt verweigert...

Allerdings sehe ich bei diesem Loudness War doch erheblich mehr Probleme. Denn die Akzeptanz (oder besser: Toleranz?) in der Bevölkerung ist weitaus höher. Oder es ist den meisten schlichtweg egal, solange die Musik irgendwo im Hintergrund "dudelt". Denn schließlich wird ihnen ja nicht wie bei DRM oder Kopierschutz "verboten", die Musik überall und auf jedem Gerät abzuspielen.

Zu diesen Sätzen äusserte sich dann start78 folgendermassen:

start78,08.06.2009, 07:46 schrieb:

Was Deinen Vergleich zu Kopierschutzmechanismen angeht: Der hat die Mehrzahl der Konsumenten gestört und wurde erst abgeschafft, nachdem er seinen Zweck erfüllt hatte: Die Kunden waren sensibilisiert und jedem ist jetzt klar, daß man Musik nicht einfach so kopieren soll.

Antwort

Ist das so?

Beim Punkt der Akzeptanz von Kopierschutzmechanismen stimme ich Dir erst einmal zu. Kein von den damit verbundenen Problemen betroffener Verbraucher war von ihnen begeistert. Nicht umsonst gab es deshalb ja auch das "c't-CD-Register" (siehe: CD-Schutz kontra Verbraucherschutz). Vertreter der "Kopierschutz-Politik" wiederum, wie z.B. Dr. Hartmut Spiesecke, Pressesprecher der deutschen Phonoverbände, interessierte damals die Problematik überhaupt nicht, bzw. eher sekundär.

Erst die von den entsprechend Involvierten über einen längeren Zeitraum wahrgenommene Inakzeptanz von Seiten der Verbraucher führte zum Verzicht auf die Un-CD. Es war daher, wie Meiner Einer es m.M.n. richtig formulierte, "der Markt", welcher das Phänomen in der Versenkung verschwinden liess.

(Davon abgesehen muss allein schon wegen des Stichworts Deshalb Langzeitarchivierung..., schlechte CD-Lebenserwartung dem Benutzer eine Privatkopie ohne Einschränkungen jedweder Art möglich sein. (Über Urheberrechtsfragen im digitalen Zeitalter kann man sich ja z.B. bei iRights.info informieren.))

So, wie beim CD-Kopierschutz, verhält es sich m.E. auch mit dem Verschwinden des Digital Rights Managements, das von vielen Usern vor allem als "Digital Restrictions Management" empfunden wurde. Was bei EMI und Apple begann, fand dann seine Fortsetzung bei anderen Anbietern. Dies führe ich u.a. auch auf die Anstrengungen europäischer Verbraucherverbände zurück. Insofern teile ich hier ebenfalls die Meinung von Meiner Einer.

Abschliessend vielleicht noch folgende persönliche Anmerkung: Im Zusammenhang mit dem angesprochenen Thema taucht immer wieder der Begriff "Raubkopie" auf. (@ start78: Dies bezieht sich jetzt ausdrücklich nicht auf Deine Signatur... ;)) So lieb, oder eben halt nicht lieb, das von den entsprechend Verantwortlichen gemeint sein mag, ich würde es begrüssen, wenn hier endlich einmal die, wenn überhaupt, juristisch eher zutreffende Formulierung Diebstahl Einzug halten würde. Raub sieht m.E. "etwas" anders aus... ;).

Gruss, DAU

A Bill of Rights in Cyberspace

2

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Ich habe diesen Satz zwar schon mehrfach (in ähnlicher Form) geäußert, bin mir aber durchaus bewusst, daß er nicht zu 100% stimmt.

Trotzdem steckt ein gehöriges Stück Wahrheit darin.

Ein Rückblick:
Napster und Co. kamen und jeder glaubte, daß man Musik frei kopieren darf. Schließlich ist die privat-Kopie ja auch erlaubt.

Dann kam plötzlich die erste CD mit Kopierschutz (ein Reinfall), Napster und seine P2P-Nachkommen wurden nach und nach verboten, neue Kopierschutzmechanismen wurden entwickelt, Downloadangebote mit DRM, ...

In der Folge kapierte jeder, daß man Musik nicht einfach so kopieren darf. Selbst Leute, die sich mit der Materie nicht näher auseinandersetzen, bekamen dies mit. Nur ein paar "Piraten" behaupten immer noch, daß millionenfache Kopien in Sekundenschnelle nichts anderes sind als eine Privatkopie auf Kassette (siehe meine Signatur).

Um wieder auf meine Behauptung zu kommen:
Die Sensibilisierung der Kunden mag nicht der Hauptgrund zur Einführung von Kopierschutzmechanismen gewesen sein. Sie war aber auch nicht nur ein Nebeneffekt.

Die Akzeptanz von kopiergeschütztem Medien war nie besonders hoch (ausser bei DVDs, die komischerweise immer liefen): CDs verweigerten manchmal auf ganz normalen Playern die Wiedergabe oder machten iMacs unbrauchbar. DRM-geschützte Musikdownloads liefen nur auf einem Bruchteil der angebotenen mp3-Player, was niemand so richtig verstehen wollte. Noch dazu war wirklich jedes KS-System umgehbar und somit wirkungslos: Wenn es einer kopieren kann, können es alle.

Zig Debatten wurden geführt, die Musikindustrie war der böse Feind, wir kennen das ja und meine Haltung dazu kennen die meisten. Hier noch einmal so viel: Wer verurteilt Kaufhäuser, die mit Kameras und Detektiven gegen Ladendiebstahl vorgehen?

Heute findet man kaum noch Neuerscheinungen mit KS (außer bei DVDs) und DRM ist auch so gut wie abgeschafft. Prima!

KS und DRM haben ihren Hauptzweck (keine Kopien) nicht erfüllt, ein FLOP waren sie aber deshalb nicht.

Machen wir eine theoretische Zeitreise und fragen 1000 Menschen im Jahr 2000, ob eine Kopie über ein P2P-Netzwerk legal sein kann. Dann die gleiche Frage im Jahr 2003 (und diesmal sollen sie einen gesunden Menschenverstand und ein normales Rechtsempfinden benutzen). Zu guter letzt die Frage heute noch einmal (ob mit oder ohne gesunden Menschenverstand ist den Befragten diesmal wieder freigestellt). Imho dürfte das Ergebnis vorhersehbar sein...

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

start78 schrieb:

Die Akzeptanz von kopiergeschütztem Medien war nie besonders hoch (ausser bei DVDs, die komischerweise immer liefen):

Zuerst mal die technische Seite dazu: Bei CD war ursprünglich nie ein Kopierschutz geplant, da man man nicht damit gerechnet hat, das es ein paar Jahre später doch Brenner und Rohlinge dafür geben würde. Also wurde die Struktur Normwidrig verändert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kopierschutz#...e_bei_Audio-CDs
Bei DVD dagegen wurde es von vornherein berücksichtigt.

Trotzdem möchte ich Deinen Ausführungen nicht so ganz zustimmen. Wer früher schon der Meinung war, Musik sich nur über Raubkopien zu besorgen, der wird es auch heute weiterhin tun. Themen wie Kopierschutz und DRM waren nur Anlaß dazu, wie man das umgehen/knacken kann. Es war zwar in aller Mund, aber eben nicht, um das Rechtsbewußtsein zu stärken.
Die meisten dieser Leute wissen durchaus sehr gut, das es illegal ist!

Dumm dran waren die Leute, die ihre Musik von jeher legal gekauft haben. Leute, die vielleicht sogar stolz sind auf ihre mehr oder weniger umfangreiche Sammlung (so wie ich auch). Leute, die dann plötzlich ihre neu gekaufte CD nicht mehr zu Hause abspielen konnten...

Auch mir ging es mal so: Bevor dieses Gesetz rauskam (Link wie oben, Anfang der Seite), gab es schon kopiergeschützte CDs. Allerdings war war nirgendwo ein Hinweis auf der CD oder dem Cover zu finden. Das wurde ja dann auch erst durch dieses Gesetz vorgeschrieben.
Ich weiß nicht mehr, was mich "geritten" hat, diese CD nicht in den CD-Player der heimischen Anlage einzulegen, sondern in den DVD-Player. Vermutlich, weil ich den Klang der Boxen unseres damals neu erworbenen Fehrnsehers testen wollte.

Nun ja...
Der DVD-Player stellte daraufhin seinen Dienst ein. Auch die Schublade reagierte nicht mehr.
Man kann sich bestimmt vorstellen, das ich einigermaßen frustriert war!

Na gut...
Da sowieso die Anschaffung eines neuen DVD-Players geplant war, endete der alte Player - nun, sagen wir mal: - als "Elektronikgulasch". Inklusive der darin steckenden CD... :angry:

Die Folge davon war, das ich extrem vorsichtig beim Kauf wurde. Als das Gesetz dann gültig war, habe ich mir die CDs ganz genau angeschaut, ob da irgendwo etwas von Kopierschutz stand - und sie natürlich NICHT gekauft! Auch wenn es mitunter sehr schwergefallen ist, sie wieder ins Regal zurückzustellen...

Ich habe somit tatsächlich keine einzige CD mit Kopierschutz in meiner Sammlung.

Das war jetzt mal meine "Erfahrung" zu diesem Thema.

Und ich denke, so wie ich haben auch viele andere Käufer reagiert.
Deswegen würde ich auch nicht unbedingt von "Konsumentenreife" sprechen. Natürlich sind die Konsumenten jetzt sensibilisiert. Aber eher im Sinne von "Vorsicht" - sie passen jetzt mehr auf, WAS sie kaufen.

So gesehen war das Gesetz wohl eher ein Eigentor. Denn da ein vorhandener Kopierschutz jetzt auf der CD stehen muß, kann der Käufer solche CDs gezielt vermeiden.

4

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Nur so nebenbei, für die jüngeren die damals noch nicht dabei waren:

Meiner Einer,11.06.2009, 14:38 schrieb:

Zuerst mal die technische Seite dazu: Bei CD war ursprünglich nie ein Kopierschutz geplant, da man man nicht damit gerechnet hat, das es ein paar Jahre später doch Brenner und Rohlinge dafür geben würde. Also wurde die Struktur Normwidrig verändert.

Na ja, stimmt nicht so ganz. Da die Firmen Sony und Philips mit der CD auch den SP-DIF Standard als Schnittstelle für digitale Kopien mitentwickelt hatten, wurde dort auch ein (nach heutigen Maßstäben) lächerlicher Kopierschutzmechanismus mit intigriert. Es gibt auf jeder CD ein Copy-Bit, welches, wenn es gesetzt ist, die digitale Kopie über das SP-DIF verweigern soll, und es gab schon in den 80ern bei der Entwicklung der ersten DAT-Recordern etliche Rechtsstreitigkeiten der Firmen im Hintergrund, weil die DAT-Recorder der ersten beiden Generationen dieses Copy-Bit nicht berücksichtigten.

Das lustige an der Sache damals war halt, das der gleiche Multiplex-Datenstrom, der auf dem SP-DIF ausgegeben worden ist, auch auf dem AES/EBU Interface geleitet wurde, lediglich der 2 Byte Header war unterschiedlich (und natürlich die mechanische Darreichungen der beiden IF).

Wie gesagt nur so nebenbei, war eigentlich ganz schön aufregend den digitalen Werdegang über all die Jahre bei uns in den Tonstudios miterlebt haben zu dürfen/können, vom ersten PCM-Stand-Alone Gerät zur Aufzeichnung auf Video-Recordern über CD, DAT, MD, DASH und HD-Recording bis hin zu unseren jetzigen mpeg-Netzwerk-Systemen und "Multi-Media"-Applikationen.

Einen digitalen Gruß aus dem Funkhaus

TomPro

5 bearbeitet von Lego (Original: 2009-06-12 08:49)

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Zur Technik:
Ich kenne die technischen Hintergründe. Nicht Red Book-konform, erste KS-CD (HIM - razorblade romance, 2000) ein FLOP, wurde ohne KS weiterproduziert, ...

Zum Thema (Sensibilisierung oder technischer Flop):
Sensibilisierung:
Da mir keine Umfragen aus dem Jahr 2000 vorliegen (und ich keine suchen möchte), kann ich nur wiedergeben, was ich in meinem Umfeld beobachtet und im Internet erfahren habe.
Der allgemeine Glaube in meinem Umfeld war, daß das Kopieren über P2P-Netze legal ist. Es war vielleicht zu simpel, um illegal zu sein. Im Internet habe ich zig Diskussionen geführt, in denen P2P-Netze mit der allgemeinen Praxis der Privatkopie verglichen wurde. Soweit ich weiß sind ca. 7 Kopien im engen Freundeskreis geduldet, jedoch nicht gesetzlich geregelt. Eine Grauzone eben. Mit tausendfachen Kopien in sekundenschnelle kann man das wohl kaum vergleichen. Zu der in diesem Absatz beschriebenen Menschengruppe sollte eigentlich mittlerweile durchgedrungen sein, dass sie einem Irrglauben aufgesessen sind.
Wer mit dem Argument kam "Wenn ich es kaufen müsste, würde ich es nicht haben wollen!" (auch beliebt: "Ich klaue ja keine CD!"), war für mich schon immer ein bewusster "Pirat", bei dem irgendwas in der Erziehung schief gelaufen ist. Bei solchen Leuten ist auch heute noch keine Sensibilisierung zu erwarten.
Technischer Flop:
Den Machern wird sicher bewusst gewesen sein, dass ein KS immer umgangen werden kann. Sie haben bestimmt nicht erwartet, Kopien zu 100% verhindern zu können. Natürlich waren manche KS-Systeme schon derb hartnäckig, konnten einer glücklichen Kombination von Hard- und Software aber nicht dauerhaft standhalten, so dass der geneigte "Knacker" am Ende eine 100% fehlerfreie Kopie bewerkstelligen konnte (zumindest laut Log). Ob das scheitern der KS-Systeme Glück oder prinzipbedingt vorhersehbar war, kann niemand beurteilen.

Am Ende mag der KS an mangelnder Akzeptanz oder wegen massiver Kritik gescheitert sein. Von mir aus! Trotzdem wird die MI ganz froh sein, daß die Leute in den letzten 10 Jahren kapiert haben, dass Musik nicht zwangsläufig kostenlos ist. Es ist ja nicht so, dass ich meine Behauptung radikal als einzige Wahrheit darstelle. Mir gefällt sie trotzdem ganz gut.

Man stelle sich ein Szenario vor, in der die MI schon anno 2000 Musik über das Internet verkauft hätte. Ein Umfassendes Angebot in bester mp3-Qualität, ganz ohne DRM. Dann hätten wir die technischen Zustände von heute, gepaart mit der Konsumentenreife von damals. Ob das so gut gelaufen wäre?

Zu meinen persönlichen Erfahrungen:
Ich besitze einige un-CDs und konnte mich ganz gut damit arrangieren. Ein Boykott kam nicht in Frage, da ich mir nur selten CDs kaufe, die ich nicht wirklich haben will.

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

6 bearbeitet von Edoardo (Original: 2009-06-14 19:38)

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

@start78: Dein Standpunkt zu Filesharing, Kopierschutz usw. ist mir nicht vollständig klar. Ehrlich gesagt interessiert er mich wenig. Ich sag das nur mal als Feedback.

Aber:

start78,11.06.2009, 11:51 schrieb:

Napster und Co. kamen und jeder glaubte, daß man Musik frei kopieren darf. Schließlich ist die privat-Kopie ja auch erlaubt.

Das ist für mich nicht mehr als eine Unterstellung. Auf CDs steht seit jeher, daß das nicht erlaubt ist.

start78,11.06.2009, 11:51 schrieb:

Wer verurteilt Kaufhäuser, die mit Kameras und Detektiven gegen Ladendiebstahl vorgehen?

Ich bin es langsam leid, Leute ernst zu nehmen, die solche »Vergleiche« anstellen.

Ich weiß nicht, wie es ist, aber die ganze Art wie du schreibst bzw. formulierst, klingt für mich so, als stündest du auf der Seite der MI.

Wobei man sich erstmal auf die Bedeutung des Begriffs MI einigen sollte. Die gibt es genauso wenig, wie »das Volk«. Das ist bewußt komparativ formuliert.

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

in der Diskussion sollte nicht übersehen werden, das nicht nur technische, sondern auch rechtliche oder wirtschaftliche Änderungen eingetreten sind. Die beste Technik scheitern nicht selten an der Kommunikationsstrategie zwischen möglichen Kunden und Lieferanten. Wer nur den „bösen“ Kunden als „Raubkopierer“ oder die „böse Musikindustrie“ sieht, ist sicherlich im Denken etwas verengt und wird nie zu einer für beide Seiten dauerhaft ertragreichen Beziehung (Kaufvertrag) finden. Weitsichtige Unternehmens- oder Branchenführer hätten eine solche Eskalation im Interesse ihres Geschäfts gar nicht aufkommen lassen. Geradezu geschäftsschädigend ist das neu gefällte Urteil über Frau Jammie Thomas-Rasset. Siehe u.a. http://www.heise.de/newsticker/Millionenst.../meldung/140751

Die RIAA ist der neuen Verteidigung (die wollten hier medienwirksam verlieren) voll auf den Leim gegangen und hat eine besonders „abschreckende“ Strafe gefordert und von den Geschworenen bekommen. Die emotionalen Effekte kann man im Bog zu dieser Meldung in der SZ sehr gut nachvollziehen:

http://www.sueddeutsche.de/,ra12m1/comp … 2663/text/

Die Zahl der verhängten Todesurteile korreliert zur Zahl der Morde genauso wenig wie die Härte der Strafen in Verfahren bei Urheberrechtsverstößen. Wer sich hier erhofft, das hohe drakonische Strafen eine abschreckende Wirkung haben werden, wird erst in der weiteren Zeitgeschichte seine Lektion lernen. Als Verantwortlicher der Musikindustrie würde ich jetzt sofort medienwirksam und großzügig die Strafe gegen ein paar öffentliche Gesten der Frau einkassieren und mir dafür das Berufungsverfahren ersparen, denn die rechtliche Situation ist nicht so einfach und klar, wie jeder Vertreter welcher Seite auch immer glauben mag. Die gleiche Handlung aus der Perspektive 1998, 2003 oder 2008 beurteilt hat unterschiedliche Rechtsfolgen und die von 2013 wird wieder anders sein. Gesetze die sich alle 5 Jahre ändern schaffen kein stabiles Rechtsbewusstsein für Jahrzehnte.

Die Veränderungen der rechtlichen Situation in Deutschland kann man grob in einem 1. Korb im Jahre 2003 und einem 2. Korb 2008 auf der Seite

http://www.bmj.bund.de/enid/cfe1b8a7c08c88...s__Korb_7l.html

nachlesen. Die letzte Regelung davor gab es 1965. Die Einstufung was legal und was illegal ist, unterliegt also wie die Technik einem (Zeitgeist)Wandel und nicht die Musikindustrie, sondern der Gesetzgeber bestimmt, ob eine legale oder eine illegale Kopie vorliegt. Die Musikindustrie hat allerdings mit Ihrer massiven Lobbyarbeit auf die Gesetzgeber stark eingewirkt und 2003 bzw. 2007 die Gesetzeslage auch in Deutschland unter Protesten zu Ihren Gunsten verschoben.

1998 hat sicher niemand einen Unterschied zwischen einer Kopie aus dem Internet und aus der analogen Radioaufzeichnung gesehen und die war nach Rechtslage 1965 eine legale Kopie zum persönlichen Gebrauch. Die in der Bevölkerung tief verankerte Meinung, das alles was man über welche Technik auch immer hören könne gleichzeitig das Recht der privaten Aufzeichnung unterliegt, wurde vom Gesetzgeber auf Drängen der Musikindustrie in mehreren verschärften Entwürfen geändert und unterliegt noch heute einer heftigen Diskussion.

P2P-Netze und deren Einstellung dazu nachträglich bis in die Steinzeit zurück zu kriminalisieren  entspricht sicher der Meinung der Vertreter der Musikindustrie, nicht aber der weltweiten sehr unterschiedlichen Gesetzeslagen und der Vielfalt technischer Lösungen in der Grauzone von legal und illegal. Nur die Dümmsten werden gehängt und abgeschreckt. Hier ist sicher keiner, der nicht alle legalen Möglichkeiten kennt Musik in der gewünschten Menge, Qualität und Preisstellung zu erwerben oder zu erzeugen. Sicher ist aber auch keiner, denn was einer häufigen Änderung unterliegt, kann nicht stabil und zuverlässig beurteilt oder gerecht abgeurteilt werden.

Es gibt auf dem Lande einen Aberglauben, das man hübsche Blumen beim Nachbarn lieber klauen soll, damit sie auch anwachsen. Man nimmt diese aber nicht einfach komplett weg, sondern macht sich davon eine „Kopie“, einen kleinen Ableger und betreibt damit auch keinen regen Handel. Sollen wir dagegen auch ein neues schärferes Gesetz zum Schutz der Blumengeschäfte machen? Das Argument, das sich der Nachbar oder Freund diese Blume ja sonst auch nicht gekauft hätte, lassen wir natürlich nicht gelten. Da man diese Pflanze natürlich weiter teilen kann und von Jahr zu Jahr das ganze Dorf, ja das ganze Land unentgeltlich Pflanzen raubt (klauen klingt viel zu harmlos), ruiniert man die Blumenproduzenten. Ich fordere drakonische Strafen und ersatzweise bessere Erziehung für meinen Nachbarn und / oder Freund. 80.000 $ Strafe pro Pflanze, die ich auch in meinem Garten entdecke. Mit ein wenig Lobbyarbeit werde ich die Geschworenen schon überzeugen ;-) und anschließende mehrjährige Erziehungsarbeit in richtiger Gartenpflege mit häufiger kostenpflichtiger Nachschulung der jeweiligen Gesetzeslage ;-)

Ob ich da lange eine gute Nachbarschaft oder Freunde haben werde? Ob ich so den Blumenhandel wieder ankurbeln kann?

8 bearbeitet von start78 (Original: 2009-06-19 20:41)

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Mir gefällt der Vergleich mit den Blumen. Noch dazu profitieren die Gärtner in der Regel davon, da man für Blumen auch Erde und Dünger benötigt. Wer aber nicht in der Lage ist, seine für lau ergatterten Blumen über den Winter zu retten, der wird früher oder später wieder ins Fachgeschäft rennen. Qualitativ wird der Gärtner immer die bessere Ware liefern als der Nachbar und somit auch immer einen Abnehmer finden. Immerhin hat er viel Geld in Gewächshäuser und die Ausbildung seiner Angestellten gesteckt, um ein hochwertiges Produkt anbieten zu können. Blumen lassen sich dummerweise nicht einfach so "kopieren". Mit einer Kassettenkopie kann man das ganze vielleicht noch vergleichen. Aber nach der dritten Kopie von der Kopie ist immer Schluss.

Das angesprochene Urteil hätte gerne auch zwei Nullen niedriger ausfallen können. Das ändert aber nicht daran, daß Frau Thomas-Rasset etwas illegales getan hat.

Auch die Rechtsauffassung von 1998 im Vergleich zur heute vorhandenen Gesetzeslage möchte ich kommentieren: Es war (in Deutschland) nie erlaubt, einen erworbenen Tonträger oder eine Radioaufzeichnung zu vervielfältigen, wurde aber bei Kopien im engen Freundeskreis "geduldet". Dummerweise kennt man in P2P-Netzen sein Gegenüber nur selten.

Es wurde auch nicht rückwirkend kriminalisiert. Es wurde nur die Formulierung an die neuen technischen Möglichkeiten angepasst. Du kannst nach wie vor im engen Freundeskreis kopieren und vom Radio aufnehmen. Neu war eigentlich nur, daß man keinen wirksamen Kopierschutz umgehen darf. Ein Passus, der heute (dankt kaum mehr vorhandener Neuerscheinungen mit KS) auch wieder gestrichen werden könnte...

Das ist ja der Kern des Threads: 1998 hat ein Großteil der P2P-Nutzer geglaubt, es wäre legal. Heute sind sie (auch dankt kopiergeschützter CDs) sensibilisiert und wissen, daß man Musik nicht einfach so kopieren darf.

@Edoardo:
Ja, ich bin auf Seiten der MI. Damit bezeichne ich die Summe der Firmen, die von Künstlern mit dem Vertrieb ihres geistigen Eigentums beauftragt wurden. Und obwohl Dich mein Standpunkt zu Filesharing, Kopierschutz usw. nicht interessiert: Ich respektiere den Wunsch der MI und der Künstler, mit ihrem Produkt Geld zu verdienen. Ich will schließlich mit meinem Produkt auch Geld verdienen und sehe es nur ungern, wenn sich jemand meine Produkte aneignet, ohne dafür zu bezahlen...

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

@start78,
es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten zwischen Blumen- und Musikklau, deshalb gefällt der Vergleich wohl auch so sehr.

Nach einer Studie von Harvard Professor Dr. Felix Oberholzer-Gee befördert illegal heruntergeladene Musik den Verkauf legaler Musik eher, als das er schadet. Hätte Jammie Thomas-Rasset da nicht auch einen Vergütungsanspruch, der mit Stützung auf diese Harvard-Studie gesetzlich durchzusetzen wäre? Vielleicht könnte das gegeneinander verrechnet werden ;-) Schlusssatz bei Heise: „...dann klagt die Phonoindustrie womöglich gegen ihre besten Kunden“

Quellen u.a.

http://www.marcus-schuler.com/2007/02/15/m...e-cd-verkaeufe/

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17076/1.html

Was haben Musik- und Blumenliebhaber gemeinsam? Sie wollen viel von dem haben, was sie lieben, können aber je nach Einkommenssituation immer nur ein Bruchteil davon erwerben und nutzen sicherlich jede Möglichkeit, etwas kostenlos oder sehr günstig zu bekommen. Liegt hier nicht der Schlüssel zum Markterfolg? Besonders hohe Kauf- oder Klaureize gibt es, wenn man unmittelbar vor den eigenen Augen die Blume oder die MP3 sieht. Natürlich kann ich als Blumen- oder Musikproduzent meterhohe Mauern, Zäune, Kameras, Detektive, als Unrechtsorganisation oder Staat vielleicht sogar Abschussanlagen, drakonische Freiheits- oder Geldstrafen oder sonstige Kundenabschreckanlagen und -methoden organisieren, um mein Produkt zu schützen, aber hilft das wirklich und befördert man so Umsätze?

Nein der kluge Produzent (Künstler) vermarktet selbst und schlank über effiziente offene Wege und Grenzen mit kostenlosen Leckerlie (Warenproben). Wollen Sie nicht mal herüber kommen in den zaunlosen Garten des Nachbarn und eine Blume klauen, damit Sie auch Erde und Dünger kaufen müssen und weitere Blumen entdecken, die zu verdammt günstigen Kosten und Preisen in hohen Stückzahlen produziert werden und für große Käuferschichten bezahlbar sind?

Wer wird wohl viel Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen und Künstler gut bezahlen können? Der mit den hohen unüberwindbaren Zäunen, Preisen und Produkten, die niemand sieht und mag oder der schutzlose beklaute Nachbar mit dem freundlichen Händler von nebenan, bei dem man viel für lau oder kostenlos bekommt?

Die Frage, ob sich Blumen, Gräser und Pflanzen leichter und langsamer als Musikkopien vermehren ist auch nicht klar entschieden. In der Sahelzone gebe ich Dir Recht, da wächst fast gar nichts. Als Musikliebhaber will ich aber das die Musikindustrie (besser noch die Künstler) aus dem Tal der Tränen herauskommen und nicht weiter eine künstliche Sahelzone der Musikverbreitung erzeugen.

Jeder Samen und jede Produktion auf einen humusreichen Boden bietet Ernte in Fülle. Fast explosionsartig könnten sich Künstler mit 1 Centbeträgen pro Werk zu Millionären machen, denn es gibt viele Milliarden Menschen, die nur einen Klick oder ein Samenkorn entfernt Ihren Wünschen und Neigungen nachgehen müssten. Edoardo, ich und viele Milliarden Menschen sind der Beweis, dafür, dass wir aufgehört haben, LP's, Singles, Musikkassetten, CD's, Flac's, MP3's  etc zu kaufen, weil wir die Produkte entweder nicht mehr oder noch nicht bekommen, bezahlen oder fehlerfrei nutzen konnten oder bei den Feindbildern nicht mehr erwerben wollen. Wenn der Künstler oder sein Verwerter sich zum Feinde macht, kann er nicht mehr erwarten, dass seine Produkte geliebt und gekauft werden. Zwischzeitlich ist es sogar so, das Werke bestimmter Künstler und Konzerne in einer riesigen gleichgesinnten Gemeinde bewußt ignoriert werden. Die Sahelzone lässt grüßen.

Die Rechteinhaber oder solche, die vorgeben für diese Gruppe zu arbeiten machen aber weiter Fehler über Fehler. Nun klagen schon die wirklich bedürftigen Kleinkünstler und Ihre Veranstalter gegen die GEMA und rufen zu einer Petition auf.

Das habe ich zufällig in einer kleinen Fangemeinde des guten alten Schlagers gefunden, die sich wirklich verdient für dieses so gut wie tote Genre macht und technisch viel gegen Internetklau (Recording von Streams) unternimmt, aber eben auch für die weitere Verbreitung sorgt. Täglich 20 bis 40 Hörer sind eben keine Zielgruppe für Konzerne. Die Musikindustrie, die alle Rechte hält, hat das meiste davon gar nicht mehr in Ihren Katalogen, es gibt kaum CD's (ein paar Sampler vielleicht), keine (nur selbstgemachte) MP3 aus LP-Aufzeichnungen.....

schau selbst:

http://www.memoryradio.de/memoryforum/view....php?f=5&t=2868

Ich bin überzeugt, das jeder der Musikvielfalt mag und Wege zu einem bezahlbaren Zugang sucht hier Künstler wirklich unterstützen kann, die es nötig haben. Denn sonst wandert das Geld der Kleinkünstler und Veranstalter in die Taschen der Musikmillionäre und bestplazierten Chartstürmer.

Also fleißig an der Petition teilnehmen und den Link in weiteren Foren hinterlegen:

https://epetitionen.bundestag.de/index.php?...s;petition=4517

10

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Für die Fehler der MI habe ich ja den anderen Thread eröffnet. Das müssen wir nicht hier diskutieren. Hier geht es nur um meine Einschätzung, daß das Verhalten der MI (inklusive Millionenklagen und Kopierschutzsystemen) dazu geführt hat, daß man heute besser weiß, welche Quelle legal und welche illegal ist.

Ich gönne jedem Künstler seinen Obulus und mir ist es im Prinzip egal, wie er sich vermarktet. Wenn er sich allerdings entschieden hat, Teil des bestehenden MI-Systemes zu werden, ist das seine Entscheidung. Die "alten" Vermarktungswege der MI funktionieren noch hinreichend gut und darum werde ich wohl noch eine Weile CDs kaufen, die mir im Radio gefallen oder auf irgendeinem anderen Weg an mein Ohr dringen...

Ich werde auf jeden Fall nicht versuchen, die gebeutelten Künstler aus den Mühlen der parasitären Vermarktungsmaschinerie zu befreien, indem ich Konsumboykott ausübe oder mir meine Musik durch die Hintertüre besorge.

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

11 bearbeitet von Edoardo (Original: 2009-06-24 00:10)

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

start78,19.06.2009, 21:41 schrieb:

@Edoardo:
Ja, ich bin auf Seiten der MI. Damit bezeichne ich die Summe der Firmen, die von Künstlern mit dem Vertrieb ihres geistigen Eigentums beauftragt wurden. Und obwohl Dich mein Standpunkt zu Filesharing, Kopierschutz usw. nicht interessiert: Ich respektiere den Wunsch der MI und der Künstler, mit ihrem Produkt Geld zu verdienen. Ich will schließlich mit meinem Produkt auch Geld verdienen und sehe es nur ungern, wenn sich jemand meine Produkte aneignet, ohne dafür zu bezahlen...

Ich respektiere den Wunsch der Künstler, mit ihrer Musik Geld verdienen zu wollen. Aber zum einen gibt es auch da sowas wie Gier, und zum anderen hab ich glaube ich deutlich genug differenziert, von wem ich spreche: Zumindest die großen Labels, die mit ihrer unsäglichen Lobbyarbeit die Politik verseuchen, die verachte ich zutiefst. Und Künstler, die mit diesen Firmen gemeinsame Sache machen, auch:

Helium Fan,20.06.2009, 11:44 schrieb:

Wenn der Künstler oder sein Verwerter sich zum Feinde macht, kann er nicht mehr erwarten, dass seine Produkte geliebt und gekauft werden. Zwischzeitlich ist es sogar so, das Werke bestimmter Künstler und Konzerne in einer riesigen gleichgesinnten Gemeinde bewußt ignoriert werden. Die Sahelzone lässt grüßen.

Zum Beispiel Metallica. Diese Leute haben nicht im geringsten begriffen, in welcher Zeit wir leben.

start78,20.06.2009, 12:55 schrieb:

Hier geht es nur um meine Einschätzung, daß das Verhalten der MI (inklusive Millionenklagen und Kopierschutzsystemen) dazu geführt hat, daß man heute besser weiß, welche Quelle legal und welche illegal ist.

Ah ja. Anders war das auch nicht zu erreichen.

start78,20.06.2009, 12:55 schrieb:

Ich gönne jedem Künstler seinen Obulus und mir ist es im Prinzip egal, wie er sich vermarktet. Wenn er sich allerdings entschieden hat, Teil des bestehenden MI-Systemes zu werden, ist das seine Entscheidung. Die "alten" Vermarktungswege der MI funktionieren noch hinreichend gut und darum werde ich wohl noch eine Weile CDs kaufen, die mir im Radio gefallen oder auf irgendeinem anderen Weg an mein Ohr dringen...

Mir ist es auch egal, wie sich ein Künstler vermarktet. Ich bin aber der Meinung, daß er bei rückwärtsgewandten Plattenfirmen und bei der GEMA sehr schlecht aufgehoben ist. Ich werde dieses System verachten und boykottieren. Und ich bin froh darüber und stolz darauf, daß ich mir, im Gegensatz zu vielen Leuten (auch im Gegensatz zu Leuten, die ich kenne), soviele Gedanken dazu gemacht habe, daß ich diesen Standpunkt beziehen kann.

Das nenne ich Konsumentenreife. Theoretisch hat der Verbraucher die Macht. Praktische hätte er sie, wenn er es wüßte und wissen wollte.

Die MI hat vor allem eines erreicht: Wenn ich Worte wie »Rechteverwerter« höre/lese, stelle ich mich innerlich unwillkürlich auf eine Konfrontation mit einem feindlichen, verabscheuungswürdigen Etwas ein. Die Buchverbände usw. machen (verspätet?) genau den gleichen Fehler.

PS:

start78,19.06.2009, 21:41 schrieb:

Das angesprochene Urteil hätte gerne auch zwei Nullen niedriger ausfallen können. Das ändert aber nicht daran, daß Frau Thomas-Rasset etwas illegales getan hat.

Frau Thomas-Rasset ist böse, dafür gehört sie angemessen bestraft.

start78,19.06.2009, 21:41 schrieb:

Das ist ja der Kern des Threads: 1998 hat ein Großteil der P2P-Nutzer geglaubt, es wäre legal. Heute sind sie (auch dankt kopiergeschützter CDs) sensibilisiert und wissen, daß man Musik nicht einfach so kopieren darf.

Das ist keine Tatsache. Das ist vielleicht deine Meinung. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht hat die MI dir das auch nur eingeredet. Beleg das doch mal.

Weißt du, was der MI wirklich schaden würde? Wenn man massenhaft CDs klauen und verschenken (oder verkaufen) würde. Da würde echter wirtschaftlicher Schaden entstehen. Allerdings auch für die Händler.

Im Moment passiert etwas ganz anderes: Der Markt schrumpft. Wir wollen deren Scheiß nicht mehr. Bei deren Benehmen schon gar nicht. Wer zieht da wohl den Kürzeren?

start78,20.06.2009, 12:55 schrieb:

Ich werde auf jeden Fall nicht versuchen, die gebeutelten Künstler aus den Mühlen der parasitären Vermarktungsmaschinerie zu befreien, indem ich Konsumboykott ausübe oder mir meine Musik durch die Hintertüre besorge.

Ich schon. Vielleicht merken sie es ja rechtzeitig.

12

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Weißt du, was der MI wirklich schaden würde? Wenn man massenhaft CDs klauen und verschenken (oder verkaufen) würde. Da würde echter wirtschaftlicher Schaden entstehen. Allerdings auch für die Händler.

Den finanziellen Schaden durch den Diebstal einer CD kann man jedem Kind klarmachen. Aber man muss als mündiger Mensch schon ein wenig naiv sein, wenn man das (illegale) Kopieren von Musik nicht als echten wirtschaftlichen Schaden erkennt.

Entsprechend naiv stelle ich ich folgende Behauptung auf:
Tauschbörsennutzer laden sich nur Titel, die sie gar nicht haben (und erst recht nicht hören) wollen, während sie alles was sie tatsächlich konsumieren wollen auch kaufen. Durch das Herunterladen vollbringen sie nebenbei noch ein Gutes Werk, weil sie damit irgendwie zur Befreiung unterdrückter Künstler beitragen.
Außerdem ist das Urheberrecht ein Konstrukt, dessen alleiniges Ziel die Bereicherung der MI ist.

Ich habe es satt, die Diskussion auf diesem Niveau zu führen. Wer sich in die eigene Tasche lügt, dem ist mit Logik nicht beizukommen. Trotzdem bitte ich Dich um eine Erklärung:
Welchen Grund sollte ich haben, mir ein Lied über eine Tauschbörse herunterzuladen (abgesehen davon, daß ich mir das Geld für den Kauf spare)? Formuliere die Antwort aber bitte so, daß ich endlich auch erkenne, warum ich das Recht dazu habe (/haben sollte), mir ein Lied auf diesem Weg zu beziehen.

Wenn Du mir das erklärt hast belege ich Dir gerne, daß das Urheberrecht schon vor über zehn Jahren existiert hat und daß schon damals die Vervielfältigung von Tonträgern ausschließlich zu privaten Zwecken erlaubt war. Und ich zitiere jede Stelle im Urheberrecht, die das Verteilen dieser Privatkopie im engen persönlichen Umfeld (und damit natürlich auch über P2P-Netze) erlaubt.

Sollte ich Dir jetzt zu unrecht unterstellt haben, Musik auf illegalen Kanälen zu besorgen, möchte ich mich entschuldigen. Es ist natürlich Dein gutes Recht, die großen Labels und die bei ihnen unter Vertrag stehenden Künstler zu boykottieren, indem Du dir keines ihrer Produkte (ob käuflich oder anders) zulegst.

@Helium Fan:
Es gibt übrigens auch bei Blumen geschützte Sorten, die selbst ein Gärtner nur gegen Lizenzabgaben vermehren darf. Und ich weiß aus Erfahrung, welcher Aufwand betrieben werden muss, um manche Blumen zu vermehren. Den Steckling in die Erde zu stecken ist nicht einmal die halbe Miete. Je länger ich darüber nachdenke, desto weiter entfernt sich das Beispiel von der Musik. Stell Dir einfach vor, du müsstest die Musik selbst nachsingen...

Was die Vermarktung ohne Schutzmaßnahmen angeht: Das könnte in einer heilen Welt wunderbar funktionieren. In dieser heilen Welt dürfen gerne auch mp3s (und Blumen) über den Gartenzaun vermehrt werden. Leider leben wir nicht in dieser heilen Welt, sondern in unserer ganz normalen Welt, in denen selbst 99 Cent zu viel für ein Musikstück ist.

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

13 bearbeitet von DAU (Original: 2009-06-24 21:18)

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

@ start78

Welchen Grund sollte ich haben, mir ein Lied über eine Tauschbörse herunterzuladen (abgesehen davon, daß ich mir das Geld für den Kauf spare)? Formuliere die Antwort aber bitte so, daß ich endlich auch erkenne, warum ich das Recht dazu habe (/haben sollte), mir ein Lied auf diesem Weg zu beziehen.

Da gäbe es schon mal einen Grund: Vergriffene Alben bzw. CDs z.B., denn nicht immer hat man das Glück, dass es noch einmal eine Wiederveröffentlichung wie beispielsweise die vom A.R. & Machines-Album "Die grüne Reise" gibt.

Zur Privatkopie: Die war aber, formal gesehen, auch nur solange möglich, bis der Gesetztgeber in Deutschland die Umgehung von Kopierschützen verbot. Das entsprechende Gesetz hängt übrigens weiterhin wie ein Damoklesschwert über uns allen, auch wenn es durch den Kopierschutz-Verzicht erst einmal an Relevanz verloren hat.

Zur "Erziehung": Deiner Logik zufolge müsste dann ja, sagen wir mal, alle 10 Jahre die "Kopierschützerei" wieder losgehen, damit neue Generationen auch wieder "sensibilisiert" bzw. "erzogen" werden, oder? (Ist nur mal so ein Gedanke am Rande... ;))

Was die Vermarktung ohne Schutzmaßnahmen angeht: Das könnte in einer heilen Welt wunderbar funktionieren. In dieser heilen Welt dürfen gerne auch mp3s (und Blumen) über den Gartenzaun vermehrt werden. Leider leben wir nicht in dieser heilen Welt, sondern in unserer ganz normalen Welt, in denen selbst 99 Cent zu viel für ein Musikstück ist.

Wenn Du mit den Schutzmassnahmen DRM oder Kopierschütze im Allgemeinen meinen solltest, dann frage ich Dich, warum z.B. EMusic so erfolgreich ist.
Wenn Du damit das Urheberrecht meinen solltest, dann bitte ich Dich zu bedenken, dass z.B. Netlabel mit Creative Commons-Lizenzen neue Möglichkeiten ausprobieren. Sie fahren damit z.T. nicht schlecht. Andererseits finden u.a. bei hier ansässigen Labels aber derzeit auch Veränderungen statt, da Creative Commons und eine GEMA-Mitgliedschaft nicht "kompatibel" sind. Deshalb versuchen ja einige Vertreter der Szene diesem Problem mit einer Umwandlung zum sogenannten "Hybrid-Label" zu begegnen. Andere entschieden sich inzwn., nur noch ein reines Digital-Label zu betreiben, weil sie meinen, damit den jeweils vertretenen Künstlern am besten gerecht werden zu können. Auch da mag die GEMA-Problematik, ganz abgesehen von kommerziellen Gesichtspunkten, eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. Auf DRM oder Ähnliches wurde und wird auch dort grundsätzlich verzichtet.

Gruss

A Bill of Rights in Cyberspace

14 bearbeitet von Lego (Original: 2009-06-25 20:12)

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Hmmm ...

Erkennbar in allen Diskussionen rund um das Massenphänomen "Musikdownload" war und ist, daß das "napstern" als Erklärung für jede Art von Ungemach in den "betroffenen Märkten" herhalten musste und muss.

Selten bis gar nicht wurden simple Marktverschiebungen und das Auftreten neuer Medien und damit zusammenhängender Umverteilungen und verändertes Käuferverhalten breit in den Medien oder der Gesallschaft diskutiert.     

Komisch auch, auf welch hohem Niveau und wer da alles rumjammert und sich beschwert, gleichzeitig aber politisch seine Lobby-Arbeit vorantreibt.
*  Die Anwälte beschweren sich wegen der Einkünfte aus Serienabmahnungen
*  Die Provider, weil es ohne die "Runterladerei" wohl nie so schnell mit der Verbreitung des DSL-Netzes geklappt hätte
*  Die Werbeagenturen und Medienkonzerne haben es immens schwer das Käuferverhalten zu berechnen, verdammt
*  ...

(kann man seitenweise fortführen)

Auffällig:
*  Verläßliche und unmanipulierte Zahlen gab es meines Wissens nie, es wurde und wird viel geschätzt.
*  Zahlen von in Konkurs gegangenen bekannteren Musiklabels fehlen ebenso.
*  Künstler die ursächlich durch Tauschbörsen in die Privat-Insolvenz getrieben wurden sind sehr wenige bekannt
*  ...



Überhaupt; vieles rund um die hier diskutierten Phänomene und Beobachtungen waren und sind spekulativ. Es bedarf ja manchmal schon wüster Hangeleien und Verdrehereien durch Politiker oder der Juristerei um sowas wie einen Schaden überhaupt genau zu lokalisieren und dem allgemeinen Rechtsverständnis eines Normalbürgers zu erklären. 

Ins Reich der Spekulation ordne ich auch Dinge ein, wie etwa die hier angesprochene "Konsumentenreife".

Gruß
Jochen

Hier gehts zum [url=http://www.playauditorium.com/]Auditorium[/url] ...

15

Re: Kopierschutz-Verzicht dank "Konsumentenreife"?

Vergriffene Alben sind oft auch über Tauschbörsen nur schwer zu finden. Da hat man meist bei Ebay oder Plattenbörsen mehr (/schneller) Erfolg. Ein gutes Argument für einen Ausnahmefall, trotzdem nicht ausschließlich über Tauschbörsen lösbar.

Die meisten Treffer wird man mit Sicherheit für Sachen haben, die es überall zu kaufen gibt. Und das wird auch am eifrigsten "getauscht".

Die Sache mit dem wirksamen Kopierschutz ist das einzige, was mich wirklich an der neuen Auflage des Urheberrechts stört. Glücklicherweise behauptet der heise Verlag, daß in diesem Fall die Analoge Kopie erlaubt ist. Ich sehe das zwar etwas anders (wie kann es eine legale Kopie von etwas geben, das nicht kopiert werden darf?), bin aber andererseits auch der Auffassung, daß die Mehrzahl der verwendeten KS-Systeme bei AudioCDs schlichtweg unwirksam sind: Mit einer glücklichen Kombination von Hard- und Software bekommt man vom Kopierschutz nichts mit => nicht wirksam.

Alle 10 Jahre? Mal abwarten. Früher gab es ja auch keine ernstzunehmenden Versuche, einen Kopierschutz anzuwenden (oder?).

Natürlich meine ich mit Schutzmaßnahmen DRM und KS. Das Urheberrecht alleine genügt ja offensichtlich ganauso wenig wie das StGB gegen Ladendiebstahl hilft.

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.