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Thema: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Der bösen Musikindustrie hat man in den letzten zehn Jahren viele Fehler vorgeworfen. Aber was hat sie tatsächlich falsch gemacht? Was hätte sie besser machen können?

Um die Antwort vorweg zu nehmen:
Ich weiß es nicht!

Ich möchte mir hier dazu nur ein paar ungeordnete Gedanken von der Seele schreiben. Wenn jemand seinen Senf dazu geben will, oder gar anderer Meinung ist, stelle ich mich auch gerne einer Diskussion. Die Reihenfolge der folgenden Punkte stellt keine Gewichtung oder sonstige Sortierung dar. Ich schreibe einfach drauf los.

Preise:
Die Preise für Musik-CDs sind seit ihrer Einführung nicht gesunken (im Gegenteil!). Ich habe keine Ahnung, wer an einer CD wie viel verdient. Aber ich weigere mich zu glauben, daß der Künstler selbst nur 1%, Herr EMI aber 98% verdient. Der ganze "Mechanismus" von der Produktion über das Marketing bis hin zum Vertrieb will schließlich auch Kohle sehen. Ich zahle auch für eine neue CD 17 Euro und mehr, wenn mir die Musik gefällt. Selbst wenn viele Silberlinge vor zehn Jahren noch für 23 DM zu haben waren. Dafür bekommt man ältere Alben oft schon für lächerliche 5 Euro.
MI-Hasser werden nicht müde zu erwähnen, daß viele Künstler ausgebeutet werden. Wie soll es einem Künstler aber helfen, wenn man auf den Kauf verzichtet und sich das Produkt über eine Tauschbörse zieht?
Ein Vergleich: Bauer Horst bietet auf einem Feld Blumen zum selbst pflücken an. Ich bediene mich und bemerke auf dem Weg zur Kassenbox, wie jemand ohne zu zahlen abhaut. Soll ich mich über den Bauern ärgern, weil er 20% aufgeschlagen hat? Selbst der dümmste Agrarökonom weiß, daß er nicht mehr verdient, wenn er die Blumen billiger verkauft. Wem 5 Euro für ein bisschen lebendige Farbe im Haus zu viel ist, der wird auch nicht zahlen, wenn die Blumen nur die Hälfte kosten. Also erhöht Bauer Horst seine Preise, um den Verlust bei denen einzuholen, die brav bezahlen. (Nebenbei bemerkt steigt der Spritpreis ständig, es hat ihn also auch mehr gekostet, das Feld zu bestellen.)

Kopierschutz:
Um die Sache abzukürzen, bringe ich einen weiteren Vergleich: Wer macht den Kaufhäusern Vorwürfe, wenn sie mit Kameras, Detektiven oder diesen Farbmarkern an den Klamotten ihre Ware schützen? Natürlich haben Kopierschutzmechanismen vereinzelt Probleme Verursacht. Natürlich waren sie ziemlich ineffektiv. Aber einen Versuch war es wert. Die MI hat gelernt, die Konsumenten auch, KS und DRM sind fast schon Geschichte. Thema beendet.

Musikdownloads:
Hier hat die MI ganz klar gepennt. Aber man stelle sich vor, es hätte von Anfang an DRM-freie mp3s zum Download gegeben. Wer in den 80ern und 90ern auf Kassette kopiert hat, hielt Tauschbörsen im Jahr 2000 für die logische Weiterentwicklung. Erst seit Napster und seine Nachkommen verboten wurden hat die breite Masse kapiert, daß man eine mühseelige Kopie auf Magnetband nicht mit der sekundenschnellen, tausendfachen Kopie über das www gleichsetzen kann. Wie hätte man derart naiven Konsumenten klar machen sollen, daß sie hier 99Cent je Titel bezahlen sollen, während es "nebenan" ganze Alben umsonst gab?

In Anbetracht der Entwicklung in den letzten 9 Jahren können wir mit dem Status Quo sehr zufrieden sein: Der Konsument kann wieder CDs ohne KS kaufen und es gibt Downloads ohne DRM. Die MI lebt noch, auch wenn die fetten Jahre vorbei sind.

Was besser sein könnte:
Die Preise sind hoch und die Qualität der mp3s (und der CDs, siehe Loudness War) könnte besser sein (wann kommt verlustfreie Musik übers Netz?). Viele kleine CD-Läden sind von der Bildfläche verschwunden.

Ich halte nunmal gerne eine CD in der Hand. Ich steh auf Limited Edition und ausgefallene Cover. Wäre ich 10 Jahre früher auf die Welt gekommen, hätte ich einen Schrank (oder eine Wand?) voller Picture-LPs, so habe ich nichtmal einen Plattenspieler. Musikdownloads haben keinen Reiz für mich, selbst wenn mein alter CD-Player heute arbeitslos ist. Neue CDs kommen in den PC und werden archiviert, danach wandern sie in meinen selbstgebauten CD-Ständer. Ich bin eines der blöden Schafe, die selbst un-CDs gekauft haben und ich bin stolz darauf!

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

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Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

start78,12.06.2009, 11:50 schrieb:

Kopierschutz:
Um die Sache abzukürzen, bringe ich einen weiteren Vergleich: Wer macht den Kaufhäusern Vorwürfe, wenn sie mit Kameras, Detektiven oder diesen Farbmarkern an den Klamotten ihre Ware schützen? Natürlich haben Kopierschutzmechanismen vereinzelt Probleme Verursacht. Natürlich waren sie ziemlich ineffektiv. Aber einen Versuch war es wert. Die MI hat gelernt, die Konsumenten auch, KS und DRM sind fast schon Geschichte. Thema beendet.

Ne. Falsch verglichen. Klauschutz des Artikels ist etwas anderes als Kopierschutz (Nutzungsschikane) des CD-Inhaltes. Das ist so, als könnte nur ich den Rucksack tragen, als könnte ich ihn nur an bestimmen Tagen benutzen oder derart. KS funktioniert nicht und ist unanständig, unhöflich oder wie auch immer. Ich will die CD auf Platte archivieren können und dann direkt von Platte hören.

Ich behaupte nicht, daß der Künstler nur 1% und Herr Major 98% des Kaufpreises bekommt, weil ich ganz einfach nicht weiß, wie das läuft. Ich hab genug um die Ohren, um mich nicht dafür zu interessieren. Wird sich eh ständig ändern. Aber ich kaufe trotzdem keine CDs als Neuware. Einfach weil ich der MI kein Geld in den Rachen werfen will. Die MI hat sich mieß aufgeführt und tut es noch. Sie lernt nicht oder viel zu langsam (die Majors). Deswegen mag ich sie nicht, ich nehm die vier/fünf/? Großen nicht ernst. Bei Künstlern, die bei diesen Labels unter Vertrag stehen, überleg ich mir manchmal auch, ob ich sie ernstnehmen soll. Metallica z.B. ist bei mir unten durch, nicht nur weil die inzwischen schlechtere Musik machen als früher. Ich lad mir auch nichts übers Netz runter, weil mir die Rip-Qualität wichtig ist. Außerdem leben wir anscheinend in einem System, in dem man wegen sowas Ärger bekommen kann (ist mir noch nicht passiert). Weil sich manche Leute der Lobby zuliebe ihrer wahren Verantwortung nicht besinnen und unsere Privatsphäre mit Füßen treten. Dabei mach ich, wie man sieht, keinen Hehl daraus, daß ich die Unterhaltungsindustrie verdächtige, maßgeblich daran mitzuwirken. Also kauf ich mir CDs gebraucht, damit die MI möglichst wenig an mir verdient, jedenfalls wird durch mich keine zusätzliche CD verkauft (nicht direkt). Die CDS werden gerippt und dann entweder behalten oder wieder verkauft. Wenn es sich nur um einen Track handelt, such ich ihn auf deezer.com, last.fm oder dergleichen und schneide ihn mit. Wenn das nicht funktioniert, tja … Manchmal weiß Google, daß Leute das irgendwo auf einem Server abgelegt haben.

Wenn man mal zusammenrechnet, was man sich an Musik zulegt, sind die Preise ehrlich gesagt alles andere als günstig.

Ich halte auch den Vergleich mit dem Blumenbauern für etwas schief.

Manche CDs will ich in meiner Sammlung haben, aber generell finde ich Musikhören per CD-Spieler nicht mehr ganz zeitgemäß. Nur sind Alternativen schwierig zu finden oder umzusetzen (nur deswegen das »nicht ganz zeitgemäß«).

Musikkonsum der Zukunft wäre in meinen Augen folgendes:

1. Irgendwie bekommt man die Musik direkt als Datei (FLAC, jedenfalls lossless) aus dem Studio. Der Vertrieb über CDDA ist im Grunde nur ein Umweg, den man gehen mußte, weil es keine andere Möglichkeit gab, das Zeug digital zum Kunden zu bringen. Das umständliche daran ist, daß man die Musik auf CD pressen und dann wieder auslesen muß.
2. Abgespielt wird die Musik dann als Datei von einem »Plattenspieler«. Der Inhalt wird bitgenau ausgegeben und ordentlich in ein analoges Signal gewandelt, der Rest ist Sache des Benutzers. Bei mir käme nach der Wandlung (eigentlich Umsetzung) ein ordentlicher Amp mit zwei ordentlichen Boxen.

3 bearbeitet von Helium Fan (Original: 2009-06-14 21:36)

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Ich spreche nicht von der bösen Musikindustrie, aber von einer Musikindustrie, die es versäumt hat, rechtzeitig mit neuen Technologien schnell und effizient umzugehen. Das Internet und die MP3 wurde viele Jahre nicht als Chance, sondern als Gefahr identifiziert und der potentielle Kunde nicht mit den möglichen Produkt-, Preis- und Marketinginstrumenten beglückt.

Am Anfang eines jeden Markterfolgs steht die genaue Analyse wer konsumiert was warum wo zu welchem Preis in welcher Form wann.....(beliebig ausbaubar). Warum gibt es kaum FLAC-Loads?

Wer nur CD-Käufer braucht oder haben will, der läßt eben die gute alte Schallplatte aussterben und wendet sich keinen weiteren möglichen Käuferschichten und Formaten zu, die offensichtlich stark nachgefragt sind. Wer glaubt es gäbe keinen Zusammenhang zwischen Preis, Produktvielfalt und Verkaufsmenge, der schraubt auch nur die CD-Preise hoch und beklagt den sinkenden Absatz....

Die Frage der Vergütung der Künstler ist elementar. Diese muss so geregelt werden, daß ein möglichst großer Anteil der Kundenumsätze dort bleibt und nicht in einer teuren bzw. überholten Produktions-, Logistik- oder Vertriebsstrecke bleibt.

Auf diesem Planeten leben fast 6.700.000.000 Menschen. Davon rund 4.400.000.000 in den zwanzig wirtschaftlich bedeutenden Industrie- und Schwellenländern. Hier entsteht ein Volkseinkommen von rund 48.000.000.000 Dollar. Auch wenn die Einkommensunterschiede vom Hunger bis zum Überfluss sehr unterschiedlich sind, Musik hört auch der ärmste Mensch häufig und gern, bzw. produziert diese in kleinen Stammesgruppen sogar selbst. Günstige Produktions- Aufzeichnungs- und Verbreitungsbedingungen sind der Schlüssel für breite Käuferschichten. Die Möglichkeit Musik auch käuflich auf Tonträgern oder als Download zu erwerben ist sicher in den führenden Industrie- und Schwellenländern am besten gegeben, aber der Markt ist viel größer!

Der weltweite Absatz an Tonträgern ist für die betroffenen Künstler enttäuschend. Im Jahre 2007 wurden incl. Downloads gerade mal 1.746.000.000 Alben und 1202.000.000 Singles weltweit verkauft. Also deutlich weniger als ein Tonträger oder eine Single pro Kopf und Jahr. Das war auch vor 10 Jahren nicht viel besser. Dort dominierte nur das Album vor der Single. Während Alben einen Absturz von 3.294.000.000 auf fast die Hälfte machten, konnte sich die verkaufte Single von 459.000.000 Einheiten fast verdreifachen. Was könnten die Gründe sein?

Sicher gibt es viele Gründe, aber meine Frage lautet, liegt es auch oder vor allem am Preis?

Wie wäre es, wenn Künstler über Internetportale Ihren Kunden direkt kostenlose Proben anbieten und gegen einmalige/jährliche/monatliche Festpreise Ihr Schaffenswerk anbieten. Wer würde nicht gern einen Hit kostenlos haben oder gegen eine Monatsgebühr von 1 €, eine Jahresgebühr von 12 € oder eine Einmalgebühr von 120 € auf das Schaffenswerk seines Liebingskünstlers zugreifen?  Könnte so nicht eine bezahlte Musikszene mit Millionen gut bezahlter Künstler geschaffen werden? Könnten diese Künstler dann sogar über 2.000.000.000 Menschen kostenlos Musik schenken? Wer nur 2.000 Fans hätte, könnte so seinen Lebensunterhalt in Hochlohnländern bestreiten und bei 5.000 Kunden schon zu den Besserverdienenden dieser Welt gehören. Sicher wird 2/3 der Weltbevölkerung den 1 Euro ausgeben. Gut und weniger gut verdienende Künstler könnten sich in einem Künstlerpool gegen Flatrate zusammenschließen und für 10 € das Schaffenswerk vieler tausend Künstler ohne regionale Schranken monatlich vermarkten. Der Markt ist riesig, er wird nur nicht beackert. Der Vergleich mit dem Bauern müßte also eher so lauten:

Ein Vergleich: Bauer Horst bietet auf einem riesigen Feld auf einer sehr kleinen bepflanzten Ecke Blumen zum selbst pflücken an. Er ist nicht nur zu träge oder unfähig das Feld zu bestellen, sondern auch zu faul selbst an die Kasse zu gehen und seinem polnischen Landarbeiter (Agrarkünstler), der das alles ohne Technik und zeitgemäße Maschinen anbauen musste traut er nicht. Da er kaum was vernünftiges in Menge und Art produziert fahren die meisten Kunden ohne zu halten einfach vorbei. Ich bediene mich und bemerke auf dem Weg zur Kassenbox, wie jemand ohne zu zahlen abhaut. Soll ich mich über den Bauern ärgern, wenn er vielleicht noch mit dem Hinweis auf den armen Landarbeiter, den er mit durchfüttern muss, nicht marktfähige Preise verlangt? Selbst der dümmste Agrarökonom weiß, das er nichts mehr verdient, wenn er die Blumen oder Apfel zu teuer verkaufen will. Der Bauer nebenan, der alles für die Hälfte anbietet und auch selbst kassiert, hat auf seinen gut bestellten Feldern immer was zu tun und kann auch den polnischen Agrarkünstler und all seine Weltfreunde noch gut mit durchfüttern. Diese dürfen sich auch ohne Scham beim Pflücken der reifen Äpfel selbst bedienen. Er braucht weder Lohndumping noch Preiswucher um am Markt zu bestehen und wenn der Ölpreis weiter steigt, weil einige Spekulanten oder Ölkonzerne das große Geschäft wittern, steigt er auf selbst produzierten Biosprit um.

Kopierschutz = Schutz vor Kunden? Brauche ich die nicht?
Wer nicht in Kundenwünsche sondern in den Schutz vor seinen Käufern investiert, hat viele Kameras, Detektive oder Farbmarker an den Klamotten und schafft ein Ambiente wie bei Karstadt, was vereinzelt Probleme (wie Insolvenzen) verursacht. Ineffiziente und kundenunfreundliche  Verkaufsmethoden sind nie auch nur einen Versuch wert! Die Bauer hat gelernt, die Kunden werden an den Stand gerufen, bekommen einen wohlschmeckenden Apfel oder sonstige lecker Früchte zum Probieren geschenkt und wer will kann weiter gegen Bezahlung einkaufen.

Musikdownloads und Tonbandkassetten
Das Jammern der Musikindustrie hat lange Tradition. Schon vor 1980 wurde das Ende dieser Industrie beklagt, weil millionenfach Tonbandkassetten statt Schallplatten gekauft wurden. Es wurde auch von Milliardenverlusten und Umsatzhalbierungen gesprochen. Dabei konnte man an jedem Gerät und jedem leeren Tonträger gutes Geld verdienen und nicht anders sieht es heute mit Festplatten, Rohlingen etc. aus. Nur zwischen 0,00 und 0,99 Cent je Musikstück gibt es viele weitere mögliche Preismodelle bis hin zu Flatpreisen. Wer kostenfrei werbefinanziert anbietet oder gegen wenige Cents vermietet hat unheimliche Preisspielräume und würde mehr für sich und seine Künstler tun, wenn er sie auch komplett ausschöpft. Der Künstler will gehört und gespielt werden und nicht produziert im Nichts verschwinden.

Status Quo:
Die fetten Jahre werden kommen, wenn die Musikindustrie Ihr Geschäft wieder besser versteht und Kunden nicht mit DRM, KS, Klagen etc. gängelt, sondern mit kostenfreien Angeboten, Flatrates und tollen (Preis)angeboten lockt. 10 x hören und erst dann entscheiden ob man kaufen will. Freie Wahl der Formate von Vinyl, über CD bis hin zu Mp3, Flac und Co mit limitierten Bonus- und Sammlermaterial..... Der kleine CD-Laden wird bald nur noch im Internet zu finden sein.

Das ausgefallene Cover oder Begleitheft ist elektronisch genauso möglich wie physisch und könnte sogar als Unikat pro Kunde künstlersigniert im Videochat an den Mann oder die Frau gebracht werden.

4 bearbeitet von DAU (Original: 2009-06-22 00:29)

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Als erstes möchte ich meiner Antwort auf die Frage von start78 zwei Zitate voranstellen. Das eine stammt vom Musiker und DJ Kevin Saunderson (Raveline Nr. 195-Juni 2009; S. 34 ff.), das andere von Tim O'Reilly (Mix, Burn & R.I.P. von Janko Röttgers):

Kevin Saunderson:

Die Industrie leidet auf jeden Fall. Ganz klar auch wegen Filesharing. Meine Hoffnung ist, dass die Technologie neue Lösungen findet, die Musik sicherer zu machen. Ich mag auch MP3s und kaufe auch welche. Ich hoffe nur, dass die Leute endlich verstehen, dass wir Musiker auch unsere Rechnungen irgendwie bezahlen müssen. Das sollten sich die, die Filesharing betreiben, mal vor Augen halten. Ich glaube, es ist okay jemandem, der zum Beispiel noch nie Techno gehört hat und neugierig ist, einen Track weiterzugeben. Der sagt sich dann vielleicht - wow diese Musik mag ich, die will ich unterstützen und kaufe mir jetzt Tracks.

Tim O'Reilly:

Hätte die Musikindustrie die digitale Zukunft frühzeitig Willkommen geheißen, dann hätte es Napster und Kazaa nie gegeben.

Um beim zweiten Zitat zu beginnen: Vor einigen Tagen las ich bei ZEIT ONLINE, dass die hiesige Musikmesse Popkomm dieses Jahr nicht stattfinden wird. Gründer Dieter Gorny führt dies vor allem auch auf das Filesharing zurück. Wie in dem verlinkten Artikel jedoch richtig bemerkt wurde, schliefen die "Grossen" im Geschäft in Bezug auf die digitalen Technologien recht lange. Spätestens als Napster das Licht der Welt erblickte, hätten alle Alarmglocken schrillen müssen. Nun gut, dies geschah dann ja mit Verzögerung, aber die Interpretation dieses Signals erfolgte m.E. auf eine doch recht einseitige und unzureichende Art und Weise. Die Folgen sind bekannt. (Extremstes Beispiel: Sonys digitaler Hausfriedensbruch.)

Hätte man anders reagieren können?

Nun, m.M.n. wäre ein tiefergehender Dialog mit den Urhebern über die neue Situation und die sich daraus ergebenden Konsequenzen innerhalb der jeweils existierenden nationalen Gremien sinnvoll gewesen, doch stattdessen lag der Fokus vor allem auf der Stärkung der Interessen der Verwerter, was ich bedauerlich finde.

Einerseits bedauerlich deshalb, weil ja, um mit dem Kevin Saunderson-Zitat fortzufahren, den meisten Künstlern inzwn. völlig bewusst ist, dass sich ihre ökonomische Situation wegen der neuen Technologien grundlegend gewandelt hat. Nicht umsonst legen daher viele von ihnen vermehrt Wert auf die Einnahmen mit Live-Auftritten, während sie die Veröffentlichung von Studio-Produktionen, in welcher Form auch immer, nur noch als Promotion-Massnahme ansehen. (Ob dann hierzulande das Vorhaben der GEMA, die Gebühren bei Live-Sessions exorbitant steigern zu wollen, zu einer Stärkung der Kreativen beiträgt, darf zu Recht bezweifelt werden. Siehe auch: Online-Petition nimmt Gema aufs Korn.)
Andererseits bedauerlich aber auch deshalb, weil viele Künstler aus unterschiedlichsten Gründen auch weiterhin auf die Tätigkeit eines Labels einfach angewiesen sind, denn nicht jeder von ihnen hat die Zeit, die Kraft oder die Fan-Basis, um sich selbst erfolgreich "vermarkten" zu können, wie beispielsweise der ehemalige "Marillion"-Sänger Fish, welcher damit schon im "CD-Zeitalter" begann.

Davon abgesehen gibt (bzw. gab) es ja inzwn. einige interessante Ansätze, die zeigen, dass man die neuen Gegebenheiten durchaus gestalten kann, wenn man bereit ist, sich der Problematik im Sinne aller Beteiligten zu stellen. Zum einen fällt mir da z.B. das vom Fraunhofer-Institut mitentwickelte PotatoSystem ein, welches auf das Prinzip des Social Commerce setzt, zum anderen das Independent-Label Magnatune, die Internet-Plattform Jamendo oder das Phänomen der Netlabel. (Online-Musikdienst-Pioniere wie MP3.com, BeSonic, EMusic oder Beatport als jüngerer Vertreter dürfen natürlich auch nicht unerwähnt bleiben.)

Interessant finde ich die vorgestellten Modelle deshalb, weil man versucht(e), einem Interessen-Ausgleich unter Berücksichtigung der neuen Umstände gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang möchte ich Dietmar Harhoff, seines Zeichens Professor am Center for Digital Technology and Management und Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation zu Wort kommen lassen, da er sich zu diesem Thema in einem Telepolis-Interview folgendermassen äusserte:

Sie sprechen von einem nötigen Interessenausgleich zwischen Nutzern, Kreativen und Intermediären. Wie hat sich in den letzten Jahren das Kräfteverhältnis zwischen diesen Gruppen entwickelt?

Dietmar Harhoff: Die technologische Entwicklung hat den Nutzern eigentlich mehr Freiheiten und Möglichkeiten eröffnet, auf Informationen - Daten, Musik, Videos - zuzugreifen. Ökonomisch gesprochen sind die Kosten der Diffusion und des Zugangs gesunken. Das eröffnet eigentlich Möglichkeiten für mehr Wertschöpfung. Gleichzeitig haben die Nutzer Einfluss verloren, denn die Politik hat mit einer Stärkung der Schutzrechte auf die technische Entwicklung reagiert: technische Schutzmaßnahmen wie DRM, neue Schutzrechte für Datenbanken, Ausweitung der Schutzfristen – um nur einige Beispiele zu nennen. Im Gegenzug untergraben file sharing - und andere Modelle diese Position in gewissem Umfang wieder. In dieser Situation hilft es nicht, an alten Geschäftsmodellen festzuhalten und den rechtlichen Rahmen auf die etablierten Modelle auszurichten. Genau das passiert aber. Eigentlich bräuchten wir viele Experimente, um neue Geschäftsmodelle auszuloten.

Insbesondere den letzten Satz finde ich wichtig, denn genau das, was dort angesprochen wird, praktizier(t)en die von mir angesprochenen Alternativen: Sie loten (bzw. loteten) neue Geschäftsmodelle aus und experimentier(t)en dabei auch.

Um auf meine oben gestellte Frage zurückzukommen: Hätte man anders reagieren können? Ich denke, ja, das wäre durchaus möglich gewesen. Und nicht nur das! Meiner Meinung nach hätte man es sogar schon längst tun müssen, denn die urheberrechtliche und die geschäftliche Stärkung des Künstlers unter Berücksichtigung der heutigen Gegebenheiten wäre zuallererst wichtig gewesen, bzw. ist es immer noch! Aus diesem Grund stellen sich für mich, ähnlich wie für Helium Fan, die Kopierschutz- und die Internet-Problematik, nur als die Spitze eines in ziemliche Tiefen reichenden "Eisberges" dar, dessen Existenz uns sicherlich noch so einige Jahre beschäftigen wird.
(Bei Interesse weiterlesen: Lego's Artikel mp3 zerstört Kunst?, Wohl kaum! und ZEIT ONLINE: Schlagwort: "Urheberrecht".)

Gruss

P.S.: Nur, um Missverständnissen vorzubeugen, da ich Herrn Gorny eingangs erwähnte: Manche seiner z.B. in einem Streitgespräch oder in einem WELT ONLINE-Interview geäusserten Positionen erscheinen mir durchaus als überlegenswert, manche aber auch nicht... ;)

A Bill of Rights in Cyberspace

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Aussagen von Vertretern der Musikindustrie:

Geoff Taylor, Vorsitzender der British Phonographic Industry
Die Situation der Musikindustrie wäre heute besser, wenn man mit Napster zusammengearbeitet hätte, anstatt es zu bekämpfen.

Hillary Rosen, ehemalige Geschäftsführerin Recording Industry Association of America
...Napster-Zug schlicht und ergreifend verpasst...Man traf damals falsche Entscheidungen....

http://www.gulli.com/news/bpi-wir-haben-na...sst-2009-06-26/

Tim Renner, einstige Vorstandschef der Universal Music Group Deutschland
...lernt viel von seiner kleinen Tochter, die kürzlich nach iPod-Übernahme mit ihren Bibi-Blocksberg- und Pink-CDs aufkreuzte und fragte, ob das Haus- oder Sondermüll sei.

Tim Renner vor Buchhändlern.... Wiederholen sie nicht die schlimmsten Fehler der Musikindustrie ...Versuchen Sie gar nicht erst, über Verbote nachzudenken...Ein guter Buchhandel sei der beste Kopierschutz.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kul...2885b2d2584aae4

6 bearbeitet von DJ-Lucky-Lh (Original: 2009-07-03 16:54)

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Hallo,

ich habe noch nicht alles durchgelesen, und die Diskussion kann man eh unendlich führen, besonders wenn keine Seite einsieht bzw. nachgeben will.

Möchte nur auf einen Vortrag von der Buchtage Berlin 2009 verweisen:
Prof. Tim Renner: Fachvortrag "Digital ist besser"

Er kommt von der Musikindustrie, kennt sich damit aus und bringt recht deutlich hervor welche Fehler gemacht wurden. Ich kann dem Vortrag fast zu 100% zustimmen.

Hört es auch an dauert ca. 30 min es lohnt sich.

//Edit
Außerdem noch:
Johannes B. Kerner 01.11.07 - Dieter Bohlen über Filesharing

Abschließend... die MI ist zum sterben Verurteilt und das zurecht! Sie hat die Zeit verschlafen, sie ist gegen die wirklichen Kunden vorgegangen, sie hat dem ehrlichen Käufer mehr Probleme als nutzen gebracht, Preise sind nicht mehr Zeitgemäß, usw.
Wichtig: Ich spreche damit direkt die MI an nicht die Künstler!

Dank Auto, gibts auch keine Pferdekutschen mehr oder Telegramme werden auch nicht mehr verschickt sondern es wird gefaxt oder telefoniert und so wird es auch hier passieren, dass ist halt der Lauf der Technik.

Desweiteren halte ich mich bei dieser Diskussion raus, da jeder auf seinem Standpunkt bleibt. Das ist auch der Fehler der MI - das ging 20 Jahre so, dass muss auch weiter so laufen - doch das ist nicht so.

[b]MfG,
Lucky[/b]

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Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Zu Prof. Tim Renner:
Er gibt zwar zu, daß die MI ihre Kunden gegängelt hat, spricht aber auch eindeutig von der illegalen "Konkurrenz", der die MI zum Opfer gefallen ist.

Und er spricht mir aus der Seele:
Die Palettenschubser im Media Markt haben selten eine Ahnung von Musik! In meiner näheren Umgebung gab es früher zwei kleine Quellen für CDs. Heute muss ich um die 20km fahren, wenn ich eine CD im Laden kaufen will. Da kann ich dann zwischen 4 Läden in der Qualität eines Media Marktes wählen. Und nur in einem Laden sitzt jemand, der mich wiedererkennt und mir mit viel Glück sogar eine CD meines Geschmacks entgegenstreckt. Dafür ruft mich regelmäßig ein Händler an, der auf Plattenbörsen und bei großen Konzerten oder Open Airs verkauft...

Zu Dieter Bohlens Auftritt:
Ich halte ihn (unabhängig von seiner Musik und seinen Auftritten in Casting-Shows) für einen patenten Kerl, finde ihn bisweilen sogar sympatisch. Wäre er ein absoluter Vollpfosten, hätte er sich kaum so lange in diesem Business gehalten.

Man muss aber auch sehen, daß er nicht nur ein Künstler am untersten Ende der Nahrungskette ist, sondern im Netzwerk der MI zu den Mächtigen gehört.

So gesehen erscheinen seine Aussagen geradezu unüberlegt: Natürlich wird mittlerweile mit Tourneen mehr Geld verdient als mit den Tonträgern. Wenn aber die zurückgehenden Einnahmen im Tonträgerbereich allein am schwindenen Interesse der Kunden liegen würde, müssten eigentlich auch entsprechend weniger Leute zu den Konzerten gehen. Das scheint nicht der Fall zu sein. Wenn das Interesse also mindestens gleich bleibt, warum sinken dann die Einnahmen im Tonträgerbereich?

Wenn wir uns an Prof. Tim Renner erinnern: Die Umsätze der MI halbierten sich innerhalb von nur vier Jahren. Hat sich das Kundeninteresse in diesen vier Jahren plötlich halbiert oder hielt es einfach nur noch die Hälfte der Kunden für nötig, ihre Musik zu kaufen?

Meiner Meinung nach hat bei Diter Bohlen bereits eine Art Fatalismus eingesetzt. Trotzdem weicht er der Frage, ob es seine Musik bereits kostenlos gibt, ganz geschickt aus.

Zur Einblendung im verlinkten Video:
Ich kann die Piraten-Partei einfach nicht ernst nehmen. Ihre politischen Ziele gehen nicht über den geistigen Horizont eines Kellerkindes hinaus. Schlagworte wie Stasi 2.0 sollen Ängste schüren, lenken aber letztenendes nicht davon ab, daß sie sich den wirklich dringenden Problem unserer Zeit kaum auseinandersetzen.

Zum Thema Pferdekutschen => Auto:
Das kann man ja technisch mit LP => mp3 vergleichen. Aber der Lauf der Technik muss doch nicht bedeuten, daß man mit Musik in Zukunft nichts mehr verdienen kann...

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Sicher kann man sehr unterschiedliche Standpunkte bei der Frage vertreten was die Musikindustrie alles falsch gemacht hat. Fehler grundsätzlich zu leugnen führt zur Unglaubwürdigkeit. Das machen nicht einmal mehr die Vertreter der MI selbst. Der Kopierschutz ist auch nicht gefallen, weil die Musikindustrie es so wollte, sondern weil der Markt für solche Produkte zusammengebrochen ist. Die MI hat durch Fehler und falsche Preispolitik eine illegale Konkurrenz erst kräftig aufgebaut und mit Kopierschutz und Massenklagen den digitalen MP3-Markt nicht in die Knie gezwungen, sondern sich am Ende selbst in eben diesen hinein bewegt, als es nicht mehr möglich war, sich gegen den elektronischen Handel zu stemmen.

Ja für Pferdekutschen- und CD-(Tonträger)Käufer wird es immer schwieriger, an Ihre gewünschten Produkte im persönlichen Kontakt zu kommen oder Personen zu finden, die sich gut auskennen und nicht auf das Internet setzen. Dort bleibt aber ein kleiner Sammlermarkt.

Selbst Dieter hat gelernt und nutzt das Internet aktiv zur Promotion nicht nur seiner Casting-Shows. Er bietet seine Musik auch über kostenlose Streamingdienste an. Sicher ist er einer aus der MI, aber kaum ein rückständiger Manager, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Er überlegt schon was er sagt und kennt auch die falschen Argumente der MI, denn für Unterhaltung wird heute mehr als doppelt so viel ausgegeben wie noch vor 10 Jahren, nur eben nicht mehr für CD's! (verschweigt die MI gern)

Die Budgetmittel für CD's gehen heute in den schnell wachsenden Downloadmarkt. Dort werden nicht mehr ganze Alben mit nicht gewollten Liedern, sondern stark zunehmend gewünschte Lieder gekauft. Der Trend geht ferner zur DVD, die noch schneller gewachsen ist und eben auch in andere Unterhaltungsmedien wie Spiele etc. Wer nicht nur Umsatzverdoppelung, sondern noch mehr will, muss das richtige Produkt (Single-Download/Live-Mitschnitt... aber nicht CD) für 10% bis 50% des bisherigen Preises anbieten oder Flatrates anbieten. Nur so kommt man an neue Käuferschichten. Der schon gestiegene Anteil der Unterhaltungsausgaben am Gesamteinkommen läßt sich nicht beliebig weiter steigern, aber Rabatt- und Preisschlachten sind immer gut für den Umsatz und  auf kostengünstigen Wegen ist das alte CD-Preisgefüge mit physischer Verarbeitung und Logistik auch nicht notwendig, um Gewinne drastisch zu steigern. Die MI beklaut sich selber mehr, als die erklärten Feinde der MI, denn die würden auch bei 10 Cent pro Lied noch aus Prinzip keinen Umsatz mit denen machen wollen. Es ist ein schwerer Irrtum jeden kostenfreien Download gedanklich mit 1€ zu multiplizieren und so einen vermeintlichen Umsatzverlust zu beziffern. Noch folgenschwerer ist es, einen Upload mit 80.000 oder 150.000 € zu beziffern. Auch wenn die Kompetenz der Piratenpartei nicht auf allen Politkfeldern gleich gut bestellt ist, sollte die
Kompetenz in Kulturfragen, Internetangelegenheiten etc. nicht unterschätzt werden.

9 bearbeitet von Lego (Original: 2009-07-07 01:31)

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Ich möchte hierzu einfach nur einmal einen Link präsentieren, der noch aus dem Jahr 2000 stammt und bereits damals eine recht gewaltige Fehleinschätzung präsentierte, die erst später noch zum großen MI Massaker führen sollte, wie wir es heute kennen:
musicdownload24

Zitat:

Die Preise für einen Download bewegen sich zwischen 2,99 DM und 4,99 DM pro Song, je nach Aktualität und Chartpositionierung des Titels. Für ein Pay-per-Play werden zwischen 0,29 DM und 0,49 DM fällig.

Einerseits sehen die positiven Mitbringsel gut aus (Cover, Texte, AAC Format - trotz DRM etc.), sprechen also den geneigten Käufer an, jedoch hockt auf der anderen Seite der Waage ein Preis von 5 Mark (Lang ist's her)pro Song und 49 Pfennig für einmaliges Anhören. Gehen wir einfach mal davon aus, dass die Qualität der Extras gut ist.

Wenn wir mal grob das Jahr 2000 mit dem heutigen 2009 vergleichen, so fällt auf dass Hardware teurer war (nicht umsonst gab es damals schlangen vor dem Aldi, wenn es mal wieder einen neuen Rechner gab), Internet noch nicht soooo weit verbreitet und die Leute, die über Internet verfügten, meistens noch sehr blass waren.
Dieser potentiellen Käuferschicht, die schon eine beachtliche Investition in den reinen Zugang zum Internet tätigte, wollte man also Angebote machen, die alles andere als günstig erschienen.

Zu einer Zeit, in der das Internet noch weitgehendst "umsonst" war, was die Angebote der Nutzung anging (vergleicht man, z.B., die Masse der Freehoster von einst, mit den wenigen Überlebenden von heute...).

Kühlschränke an Pinguine zu verkaufen wäre einfacher gewesen, sofern das Angebot nicht ähnlich "fair" gewesen wäre.

Man hat also einen gigantischen Fehler getätigt: Man hat nicht nur ein Angebot geliefert, welches absolut nicht einer realistischen Preispolitik entsprach, sondern hat sich auch noch recht "geldgeil" gezeigt.
Ein Wolf, der mit Schafen kuscheln möchte, sollte nicht unbedingt mit Blut an der Schnauze anmarschieren.
Dementsprechend hat man nicht zuletzt durch solche Angebote Käufer vergrault und geprägt.
Überall sah und sieht man Künstler, die vor lauter Geld und Dämlichkeit nicht mehr wohin mit dem Reichtum wussten - doch sieht man selten Bands, die sich jeden Tag abrackern und nicht von der Sonne beschienen wurden.

Welches Bewusstsein mag das wohl in den Käufern geweckt haben, die zur Mittelschicht gehörten und für ihr Auskommen doch auch ganz gut arbeiten mussten?
Keines, welches der MI entgegengekommen wäre.
Es stimmte also weder die Promotion, noch das Produkt, noch der Vertriebsweg.

Heutzutage, nicht zuletzt dank Apple, ist man auf dem Weg der Besserung. Als großen Vorreiter sehe ich in Deutschland dabei auch Musicload, welches sich durch T-Online recht weit verbreiten konnte. Insgesamt ist die Preisgestaltung ist vernünftiger geworden, DRM hat man mittlerweile weitgehendst abgeschüttelt und mit einem Wasserzeichen sollte jeder leben können. Tun wir beim Genmais immerhin schon länger (was ich persönlich befremdlicher finde).

Ein großer Pluspunkt ist auch die Art der Bezahlung - bei Musicload kann ich es direkt auf meiner T-Online Rechnung eintragen lassen, neben anderen Bezahlformen und auch wenn die Anmeldung bei Click&Buy nicht gerade angenehm war (wer gibt schon gerne seine Kontodaten raus), hatte ich bisher keinerlei Probleme damit.

Sollten die Preise noch weiter sinken, die Angebote höherwertiger, und das "Handling" einfacher werden, so sehe ich keine Probleme für die MI in der Zukunft. Wenn man die Leistungen zu gerechten Preisen erbringen kann, dies dann auch noch einfach und unkompliziert, wird keiner mehr über Proxy, TOR Tunnel und Torrentracker nachdenken wollen.

Na gut, vielleicht die 14-20 Jährigen, die zumeist nur wirklich wenig Geld haben - aber die fälschen auch Personalausweise für Bier, fahren schwarz Mofa, oder schwängern die Klassenkameradin.

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Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Vielen Dank, daß Du das ausgegraben hast! Ehrlich!

Abgesehen von den Preisen war auch das Angebot lächerlich: Lediglich 100 Titel, mit einer Option auf maximal 300 Titel. Dazu AAC anstelle mp3, womit der damalige Durchschnitts-Porty (Rio) nicht viel anfangen konnte. Dieser Ansatz der Download-Musik war zum Scheitern verurteilt.

Die MI sah damals vermutlich nur den Aufwand und hielt es nicht für möglich, daß damit wirklich Geld machen lässt. Also mussten die wenigen Käufer entsprechend mehr bezahlen.

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Ich habe dazu auch noch mal einen interessanten Artikel auf Heise gefunden. Auch wenn er aus dem Jahre 2004 stammt, so zeigt er doch genau auf, wie sich die Kosten einer CD und auch eines legalen Downloads zusammensetzen.

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Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Passend zum Thema
Die-Welt-ist-keine-Scheibe-mehr-Plattenlaeden-auf-dem-Rueckzug--

Hier gehts zum [url=http://www.playauditorium.com/]Auditorium[/url] ...

13 bearbeitet von SaschaF (Original: 2009-07-10 03:07)

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Auf den Link von Lego beziehend:

"Dafür gibt es Gründe: Einer ist das Unverständnis der Verbraucher, für Musik zu bezahlen"

Wieder einmal das alte Schlagwort, was mittlerweile zum Schlafwort verkommt. Nicht der Wandel der Zeit, noch der Fortschritt der Medien sind schuld am dahinschmelzen der Plattenläden - es sind die Raubkopierer, die Kunden (das Zitat spricht immerhin _alle_ Verbraucher an, nicht nur die Kopiererschaft).

Betrachte ich die Geschichte der Musikläden innerhalb meiner Heimatstadt, die 20 km von Aachen entfernt liegt, sehe ich neonbeleuchtete Läden, die ihre CDs in Käfighaltung darboten und nicht einmal die Möglichkeit eines Probehörens besaßen, während eine gelangweilte, studentische Aushilfskraft an der Theke dem körperlichen Verfall nachging.

Von der Decke baumelten irgendwelche Scheiben, die man notdürftig mit Angelschnur aneinander gekettet hatte und die Grundmelodie, die sich nach dem Geschmack der Aushilfkraft richtete, variierte zwischen Blackmetal, Doommetal und der best of von Barry Manilow.

Sehen wir von diesen Punkten ab, die zumeist die Läden betraf die zu einer der großen Ketten gehörten, gab es den urigen, gemütlichen Plattenladen leider immer nur viel zu selten. In Aachen gibt es 3-4, die alles im Angebot haben und wohl immer noch gut gehen. Die Theaterstr.15 gibt es mittlerweile seit über 30 Jahren und heutzutage kriegt man vor dem Geschäft immer noch keinen Parkplatz (ok, ist nunmal auch Aachen - da parkt man nicht).

Nennen wir die guten, klassischen Läden einfach "Plattenladen", und die anderen dafür "Käfigverkäufer".
Dass nun also die Käfigverkäufer aussterben, liegt an ihrer Ersetzbarkeit. Betrachte ich die Diskussionen über CD und LP, so wird der LP immer ein gesteigertes, physisches Erlebnis zugesprochen, welches das Medium so liebenswert macht.
Der Käfigverkäufer bot soetwas nie. Er stellte eine reine Vermittlung von Ware an Kundschaft dar, ohne Kundenbetreuung, oder "Erlebnis".

Steril wie die Ware der Antoniusstr. in Aachen. Man ging rein, nahm eine CD aus einem der ekelhafen Gitterregale und legte das Geld auf die Theke. Mehr wollte man nicht und bekam auch nur das.

Dass derartige Läden ersetzbar sind, ganz gleich ob durch Saturn und Co., oder durch das Internet, leuchtet schnell ein.
Im Internet kann ich mir, nicht zuletzt dank last.fm, ebenfalls Musiker der gleichen Sparte heraussuchen, um mir im Anschluss das Album auf Amazon zu bestellen, oder WOM, oder was auch immer.

Was wäre der richtige Ansatz gewesen? Wenn man die Bestrebungen betrachtet, die manche Buchläden mittlerweile in eine Symbiose mit Cafés stecken, nur um eine größere Kundschaft zu erwerben, so sollte man diesen Schritt nicht als allzu fern abtun.
Kunstcafés schiessen geradezu aus der Erde, wo an bestimmten Tagen Vorträge gehalten werden, Lesungen und dabei der Rubel noch an Bücher, Kaffee und viel zu fettige Törtchen rollt.

Was wäre noch eine Möglichkeit gewesen? Viele Menschen legen keinen Wert auf das Medium, was man mittlerweile erkannt hat (wie war das noch mit der Tochter, die ihre CDs entsorgen wollte?).
Wie verfährt man damit? Stellen wir uns einmal vor, wir gingen in den Plattenladen, würde eine Liste unserer gerade aktuellen Lieblingstracks auf den Tisch hauen, in freudiger Erwartung einen mit den Titeln gefülltem USB Stick zu bekommen, den wir, samt der darauf gespeicherten Lieder, direkt bezahlen würden.
Ideal für unbewanderte Kunden, die mal "eben" nur Musik für das Handy (SD Card etc.), das Autoradio oder sonst ein Gerät brauchen, ohne sich mit Encoding, Rippen und ähnlicher Thematik zu beschäftigen.
In der Zeit, in der ihr Stick befüllt wird, können sie ja dann immerhin noch einen Kaffee schlürfen.
----

Früher gab es zudem in meiner Heimatstadt gute 3 Käfigverkäufer, ohne Karstadt, Real und Hit gerechnet.

Alle 3 in einem Radius von gut 100 m.
Dass das nicht gutgehen kann, das erklärt sich von selbst.

Wie sieht also der momentane Zustand aus? Ich muss mittlerweile über 20 km fahren, um einen Plattenladen zu finden. Der letzte Käfigverkäufer hat 2004 die Pforte geschlossen und mir bleibt nur noch das Internet, als Bezugsquelle meiner CDs - wenn ich denn mal grade keine Lust dazu habe, mir in Aachen den gemeinen Aachener anzutun.

14 bearbeitet von DAU (Original: 2009-07-13 08:12)

Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Ich möchte an dieser Stelle mal eine kleine Lanze für Saturn (DAS Saturn Stammhaus Köln Hohenzollerring) brechen. Auch als Saturn noch keine Kette war und das saturneigene Archiv mit den nach Produktionsnummer sortierten LP's Bestandteil des Ladenlokals war,  fühlte ich mich hier immer gut aufgehoben. Und trotz der Masse (Größter Schallplattenladen der Welt), war auch immer ein ansprechbarer Mitarbeiter zu finden, der einem weiterhelfen konnte.

Mein absolutes Highlight an Kundenfreundlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes ist aber noch gar nicht so lange her. Da ich zu einer aussterbenden Art gehöre, die Geldgeschäfte jeglicher Art über das Internet rigoros ablehnt, kaufe ich auch heute noch meine -mittlerweile- Silberscheiben ganz normal in den lokalen Geschäften.

Ich begab mich also in den besagten Saturn, um zu stöbern und um eine ganz bestimmte Scheibe zu suchen. Nick D'Virgilio (Schlagzeuger und mittlerweile auch Frontman bei Spock's Beard) hatte "The Lamb Lies Down on Broadway" neu aufgenommen, doch mir fiel der "Projektname" partout nicht mehr ein. Also schritt ich zum Infoschalter. Da man mir auch hier nicht weiterhelfen konnte, verwies man mich ins Büro, wo ein kundiger Mitarbeiter ohne Zuhilfename seines Rechners sofort wußte, daß es sich um "Rewiring Genesis" handeln muß und mit Hilfe des Rechners kam dann auch der Hinweis, daß 6 Exemplare eigentlich da sein müssten. Nun war aber keines der Exemplare weder bei dem Buchstaben R oder G zu finden. Daraufhin schwärmten 3 (in Worten drei) Mitarbeiter aus, um mindestens ein Exemplar für mich im Laden zu finden. Dabei stellte sich heraus, daß die 6 Exemplare im ganzen Laden in den Feater-Regalen verteilt waren.

Also, wenn das kein Kundendienst ist, dann weiß ich es auch nicht. Ich weiß natürlich auch, daß sowas leider nicht die Regel ist, aber ich fühle mich auch heute noch -wie vor 30 Jahren- als König Kunde im Stammhaus von Saturn.

Wie gesagt, nicht exemplarisch für alle, aber auch Realität.

Gruß, TomPro

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Re: Was hat die Musikindustrie falsch gemacht?

Ähnliches habe ich durchaus schon in anderen Ketten erlebt (wenn auch nicht gerade drei Mitarbeiter für mich gesprungen sind). Aber der Regelfall ist das nicht.

Als Regelfall bezeichne ich gelangweite Palettenschubser, die Dir die "Dark Side of the Moon" nicht finden würden, selbst wenn sie vor einem 2qm Pink Floyd Sonder-Display stünden (wahlweise auch "..., die Dir Beatles nicht von Beatsteaks unterscheiden können)...

Raubkopieren ist nicht der ideologische Kampf gegen das böse System,
sondern egoistische, arrogante, knausrige Scheiße.

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